Die Wahrheit über 10 Festival-Legenden

Rocket Festival in Vang Vieng, Lao PDR

Es gibt diese Handvoll beste Festivals, die früher oder später immer in einem Gespräch auftauchen, wenn Vielreisende abends zusammen sitzen und ihre Anekdoten und Empfehlungen austauschen. Spätestens nach ein paar Bieren ist es Zeit für diese außergewöhnlichen Feste und die Legenden, die sich um sie ranken. Meist hat erstaunlicherweise jeder der Anwesenden etwas dazu zu sagen, ob er nun dort war oder nicht.

Doch was hat es wirklich auf sich mit jenen Festen, die den Menschen diesen Ausdruck von Neugierde und Faszination auf ihre Gesichter zaubern? Beste Festivals? Ich habe ein paar davon besucht, nicht zuletzt, da mir Legenden meist keine Ruhe lassen, bevor ich sie mir nicht persönlich angeschaut habe. Hier sind meine, selbstverständlich völlig subjektiven, Erfahrungswerte zu 10 der legendären Festivitäten:

Dia de los muertos (Tag der Toten)

Ganz Mittelamerika zelebriert den Feiertag, den wir als Allerheiligen kennen, mit einer Fülle an Ritualen. Viele Menschen verbringen den Tag der Toten gemeinsam mit ihren verstorbenen Ahnen, will meinen, vor und auf deren Gräbern. Sie weinen, tanzen, singen, entzünden bunte Kerzen, betrinken sich mitunter und hinterlassen Speisen und Getränke als Opfergaben. Das alles kann für den Zuschauer durchaus aufregend sein, aber nach einer Weile hat man dann auch alles gesehen.

Wer nach etwas Ausgefallenerem sucht, der findet dies in einem kleinen Dörfchen in den guatemaltekischen Bergen, das auf den selben Namen hört wie der Feiertag selbst: Todos Santos. Alle Bewohner dieses abgelegenen Ortes tragen dieselbe Tracht, alt wie jung, Frauen wie Männer. Doch damit nicht genug der Skurrilität. Am Tag vor dem Feiertag steigt hier ein geradezu wahnwitziges Pferderennen, das man gesehen haben sollte. Vereinfacht lässt es sich so beschreiben: Die jungen Männer des Dorfes müssen ab Sonnenaufgang so viel Bier wie möglich trinken, um sich danach so lange wie möglich volltrunken auf einem Pferd zu halten. Die geduldigen Tiere rennen dabei eine etwa 200 Meter lange Staubpiste auf und ab, an der die Zuschauer stehen und johlen. Zwischendurch wird selbstverständlich nachgetankt. Auch die Zuschauer sind schon bald durch die Bank weg betrunken.

Beste Festivals: Dia de muertos in Todos Santos, Guatemala

Man sieht die Reiter stürzen, wieder aufstehen oder liegenbleiben, wild herumschreien und auch mal zwischendurch einem Huhn den Kopf abbeißen. Die verstaubten Pferde wiehern verstört, während die umstehenden Dorfbewohner die jungen Männer mit ihren Anfeuerungen ganz schön unter Druck setzen. Es weht ein Hauch von Wahnsinn durch die engen Gassen mit den bunten Häuschen. Beste Festivals? Für mich zählt der Dia de Muertos auf jeden Fall dazu!

Im Dorfkern ist ein Jahrmarkt aufgebaut, auf dem man sich auch nach dem Rennen noch standesgemäß vergnügen kann. Das Riesenrad ist nicht sehr groß, dafür aber aus alten Traktorteilen selbst zusammengeschustert. Zu Essen gibt es – wie so oft in Guatemala – ausschließlich frittiertes Huhn mit Pommes, ein trockenes Vergnügen. Dafür mundet das Bier aus den allgegenwärtigen blauen Kisten vorzüglich und auch der Rum ist nicht von schlechten Eltern.

Am Rande des Spektakels spielen Musiker, die nicht immer Taktgefühl besitzen, heiter-apokalyptische Melodien auf riesigen Marimbas, bis sie umfallen. Die Musiker, nicht die Marimbas. Wer zu betrunken ist und sich daneben benimmt, wird für die Zeit des Festes in eine eigens dafür errichtete Zelle gesperrt, wo er von Familienangehörigen mit Essen und noch mehr Alkohol versorgt wird.

Tags drauf begehen die Einheimischen dann den Tag der Toten auf dem Friedhof mit allen oben erwähnten Ritualen. Einmalig!

Beste Festivals: Dia de Muertos in Todos Santos, Guatemala

Wann: Jedes Jahr an Allerheiligen (Todos Santos), 1. November.
Wo: Todos Santos, nördliches Guatemala.
Gut zu wissen: Für den Weg in das abgelegene Bergdorf muss man locker zwei Tage einplanen. Reist man auf dem Dach eines Busses, so sollte man zu jeder Zeit die Hochleitungen im Blick behalten…

Beste Festivals: Burning Man

Es ist nahezu unmöglich, dieses Fest in Worte zu fassen. Besonders, wenn man nicht direkt in esoterische Begrifflichkeiten verfallen möchte. Das vor zwanzig Jahren an einem Strand in Kalifornien gegründete Festival,welches keines sein möchte, findet fernab vom Schuss in einer Wüste statt, in der für die Zeit des Spektakels eine komplette Kleinstadt aus Zelten und Wohnmobilen entsteht. Zunächst einmal muss man den Ort in Nevada finden. Hat man das geschafft, so konfrontiert die Natur den Besucher mit einigen Widrigkeiten. Tagsüber erreichen die Temperaturen manchmal 40 Grad, nachts gehen sie in Richtung Gefrierpunkt. Sandstürme kommen aus dem Nichts und der stark ätzende Sandboden aus alten Fischexkrementen zersetzt einem unnachgiebig die Fußsohlen. Doch all dies wird schnell unerheblich.

Das Burning Man lebt von all jenen Menschen, die ihre Zeit, ihre Energie und ihre Kreativität zum großen Ganzen beisteuern, und viele dieser Idealisten lernt man ohne große Anstrengung kennen. Einige von ihnen tragen aufwändige Kostüme, andere gar nichts. Die meisten versprühen eine unbändige Wildheit und vorurteilslose Freundlichkeit. Sie kommen von überall her, aber Nationalitäten spielen an diesem Ort so gar keine Rolle. Es herrscht eine Atmosphäre von Mitgefühl, Liebe und gegenseitiger Unterstützung, wie ich sie noch nie vorher erlebt habe. Drogen werden reichlich genommen, aber nicht glorifiziert, Kunst findet man an jeder Ecke und jeder lässt auch den Künstler in sich selbst einmal zu Worte kommen.

In detailverliebt selbstgebauten Gefährten lässt man sich dann über die Playa genannte Ebene zu aus völlig altruistischen Motiven errichteten Bars und Clubs bringen. Sollte das Gefährt selbst nicht bereits eine Party mit außergewöhnlichen Begegnungen bereithalten. Nirgends sieht man Werbung, es existiert auch kein Line-Up. Und doch spielen überall Bands und DJs, viele davon durchaus bekannt. Nichts kostet Geld, alles basiert auf Tausch. So kann man durchaus auch gegen eine Nackenmassage einen Drink gemixt bekommen. Oder einen Kuss. Oder ein simples Lächeln, das von Herzen kommt. Es gibt Menschen, die sich unaufdringlich der freien Liebe verschrieben haben, andere meditieren die komplette Zeit des Festes durch. Man trifft auf Gegensätze von beiden Enden des Spektrums, wo man auch hinschaut. Eben noch praktiziert man Yoga mit blau angemalten neuen Freunden, kurz später wird man vielleicht bereits Zeuge, wie eine Handvoll Leute den Film Mad Max lebt. Später dann trifft man unverhofft auf eine Rollerdisco oder einen wissenschaftlichen Vortrag über Transzendenz. Daraufhin wird man zu einem Fünf-Gänge-Menu in einem Zelt eingeladen oder findet sich plötzlich in einem Jodel-Kurs wieder. Oder in einer Orgie mit Menschen, die alle orange tragen. Oh, all diese Möglichkeiten! Die Grenzen jeder noch so lebhaften Fantasie werden hier im Minutentakt gesprengt.

Man muss es gesehen und erlebt haben. Ist man offen, positiv und flexibel, dann passieren einem Dinge, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte.
Klingt nach einer Utopie? Verdammt noch mal, dieses Fest ist die größte Utopie, die ich auf dieser Welt bisher gesehen habe. Beste Festivals? Das hier DAS beste Festival!

Beste Festivals: Der Man brennt beim Burning Man

Wann: Erste Septemberwoche.

Wo: Black Rock Desert, Nevada, USA.
Gut zu wissen: Auch wenn man hier im Grunde ausschließlich tolle Fotos schiessen kann, und das im Minutentakt, so sollte man doch immer mal wieder die Kamera weglegen und den Moment bewusst wahrnehmen.

Thaipusam

Einmal im Jahr, bei Vollmond im Monat Tai, huldigen Hindus weltweit ihren zahlreichen Gottheiten im Allgemeinen und dem Kriegsgott Murga im Speziellen. Mag einem hierbei zunächst Indien in den Sinn kommen, so ist der vielleicht beste Ort, um diesem außergewöhnlichen Ereignis beizuwohnen, überraschenderweise ein Höhlensystem nahe Kuala Lumpur in Malaysia, die Batu Caves.

Die Gläubigen, die zum Teil bereits lange Fußmärsche hinter sich haben, lassen sich für die Feierlichkeiten den Schädel kahlrasieren und bekommen sodann von Priestern kleine Speere und Haken in Rücken, Arme, Lippen und Zunge getrieben, an denen zum Teil sogar noch Gewichte aufgehängt werden. Daraufhin fallen sie in Trance und beginnen den Aufstieg der 272 Stufen zu den von Götterstatuen übersäten Höhlen. Die meisten von ihnen tragen zusätzlich schwere Opfergaben vor sich her.

Beste Festivals: Thaipusam in den Batu Caves bei Kuala Lumpur, Malaysia

Freunde und Helfer entlang der endlos erscheinenden Treppe feuern die Ergebenen mit ‚vel, vel‘-Schreien an, was soviel wie Speer bedeutet und ein Hinweis auf die Lieblingswaffe Murgas ist. Rund um die Pilger wuseln Gruppen von Trommlern, welche die gesamte Menge mit ihrer Musik in Ekstase versetzen. Die Luft ist geschwängert vom Rauch der zu Ehren der Götter brennenden Feuer und den unzähligen Räucherstäbchen. Immer wieder wird den bereits völlig erschöpften Menschen, die nicht nur dem Schmerz, sondern auch noch der unbarmherzigen Hitze trotzen müssen, Wasser in die offen stehenden Münder gegossen.

Oben angekommen, sieht man viele von ihnen zunächst mit verwirrtem Blick um sich schauen; Speichel tropft aus ihren Mündern und einige schreien seltsame, archaische Laute heraus. Dann setzen sie die schweren Opfergaben ab und man zieht ihnen nach und nach die Haken und Speere aus dem Körper, wobei erstaunlicherweise fast nie Blut fliesst. Die Priester betupfen die Wunden mit heiliger Asche. Einige der Gläubigen brechen zusammen, andere verlieren komplett das Bewusstsein.

Die Höhlen selbst sind voller Menschen, die das Fest mit Gebeten und weiteren Opfergaben zelebrieren. Große Lautsprecher krächzen in ohrenbetäubender Lautstärke traditionelle Melodien in die hallenartigen Katakomben. An Verkaufsständen kann man Devotionalien erwerben. Auf den Felsen klettern freche Affen, die sich am gespendeten Essen bedienen.

All das bietet genügend Stoff, um stundenlang mit offenem Mund Zaungast zu spielen. Nach einer kurzen Busfahrt ist man dann wieder in der Mega-Metropole Kuala Lumpur und dort versteht man nach diesen Erlebnissen dann wirklich gar nichts mehr.

Beste Festivals: Thaipusam in den Batu Caves bei Kuala Lumpur, Malaysia

Wann: Zu Beginn des Jahres.
Wo: Verschiedene Orte mit großen Hindu-Gemeinden. Am Beeindruckendsten jedoch in den Batu Caves nahe Kuala Lumpur, Malaysia.
Gut zu wissen: In Kuala Lumpur gibt es nicht nur die größte Hindu-Gemeinde, sondern vermutlich auch das beste indische Essen außerhalb Indiens.

Rainbow Gathering

Die Rainbow Family ist ein loser Zusammenschluss von Hippies rund um den Globus, die an eine bessere Welt glauben. Die ‚Tribes‘ genannten Gruppen in den jeweiligen Ländern richten Treffen an verwunschenen Orten aus, die möglichst über eine besondere Energie verfügen und oft nur schwer erreichbar sind. Dort in der Einöde, sei sie nun in einem Dschungel oder auf einem Berg gelegen, widmet man sich dann veganem Essen, dem Leben in einer Kommune ohne Hierarchie, esoterischen und spirituellen Praktiken, freier Liebe, sowie der Bewusstseinserweiterung durch Substanzen aller Art. Klingt erst mal nach meiner Liste ‚Beste Festivals‘. Und das fand ich schon, seit ich zum ersten Mal von diesen konspirativen Treffen gehört hatte.

Leider entpuppte sich das einzige Fest dieser Art, das ich bisher besuchen konnte, dann eher als Enttäuschung. Was jedoch auch daran gelegen haben könnte, dass es schon fast drei Wochen im Gange war, als ich den State Forest in Florida erreichte, der für das Treffen ausgesucht worden war. Ich hatte durch Freunde Wind davon bekommen, als ich gerade auf meinem Weg entlang der Ostküste Floridas war. Schnell hatte ich mir noch ein paar Müsliriegel und etwas Wasser besorgt und dann mit Hilfe von GPS und Landkarte den einigermaßen versteckten Ort ausfindig gemacht, an dem Schilder vor Bären warnten. Doch leider erstarb jede Euphorie schon nach Minuten.

Ein Haufen völlig verdreckter und verwahrloster Kids lungerte zwischen den palmenartigen Bäumen herum und sprach ausschließlich über Drogen. Schon am Eingang begrüsste mich ein Mob aus Wilden, die mich ohne Umschweife anschnorrten und betrunken jenseits jeder Zurechnungsfähigkeit waren. Und das, obwohl man sich in der Rainbow Family explizit gegen Alkoholkonsum ausspricht. Ich streifte herum und sprach mit den wenigen Menschen, die dazu noch willens und in der Lage waren. Die Hälfte der Leute hatte sich einen üblen Magenvirus eingefangen, einige schienen zudem ihren Verstand verloren zu haben. Jeder bettelte mich um Geld an. Alle wirkten eher egoistisch; lethargisch lagen die meisten in ihrem eigenen Müll herum und zelebrierten ihre Zerstörtheit. Ich blieb exakt eine Stunde und verzehrte meine Müsliriegel dann völlig desillusioniert in einem Motel am Strand.

Bei Gelegenheit möchte ich der Idee jedoch eine zweite Chance geben, da ich glaube, dass ich einfach nur Pech hatte.

Beste Festivals: Rainbow Gathering in Florida

Wann: Mehrmals pro Jahr.
Wo: Immer wechselnde Orte, die man über die einschlägigen Websites der Rainbow Family erfährt.
Gut zu wissen: Man sollte zu einem solchen Gathering vermutlich nicht mit einem sauberen Mietwagen und in gewaschenen Klamotten erscheinen. Entweder man wird ständig nach Geld gefragt oder für einen Undercover-Cop gehalten. Beides ist nicht gerade angenehm.

Beste Festivals: Rocket Festival

Das Raketenfest ist eine Art Opferzeremonie, die von Laoten in ihrem Land sowie in Nordthailand zum Beginn der Regenzeit zelebriert wird. In besonders außergewöhnlicher Atmosphäre und vor der Kulisse ursprünglicher Natur lässt sich das Festival im laotischen Vang Vieng beobachten.

Beste Festivals: Rocket Festival in Vang Vieng, Laos

Die Feierlichkeiten gründen auf einer buddhistischen Tradition, großzügig gemischt mit dem in der Region allgegenwärtigen Aberglauben. Wochenlang bereiten sich die Laoten auf das Fest vor, indem sie aus Pappe, bunten Bändern und Schwarzpulver bis zu fünf Meter lange Raketen basteln. Diese werden am Tag der Feier dann von Bambusrampen in Richtung Urwald geschossen, um den Regengott dazu zu bewegen, die Saat großzügig zu bewässern. Doch in der für Südostasien typischen Verspieltheit dient das Ganze zugleich als eine Art Wettbewerb. Wessen Rakete am Weitesten fliegt, der hat gewonnen. Doch nicht einmal alle der Raketen erweisen sich überhaupt als flugtüchtig. Einige zünden nicht, andere explodieren noch auf der Rampe. Immer wieder verletzen sich auch junge Männer beim Start der Ungetüme. Doch wenn die Rakete dann fliegt, ist es ein ungewöhnliches Schauspiel. Mit langem Rauchschweif verschwindet das Papprohr in der Ferne, während viele der Einheimischen gebannten Blickes die Flugbahn verfolgen.

Unnötig zu erwähnen, dass die Laoten dazu Unmengen an Alkohol vertilgen. Die lokale Spezialität Lao Lao, ein Reisschnaps, hat es in sich und kostet selbst für laotische Verhältnisse fast nichts. Zusätzlich zu den stundenlang währenden Raketenstarts gibt es eine Menge Rituale, die man als Tourist nicht minder verblüfft verfolgt, wie etwa einen Tanzwettbewerb oder das Aufbahren abgeschnittener Kuhköpfe vor den Dorfältesten. Während die Laoten das Fest in Würde begehen, hat die Anwesenheit der Backpacker, die das Dorf seit einigen Jahren wegen des Tubings heimsuchen, den Verlauf doch bereits etwas beeinträchtigt. Meist ohne die Hintergründe des Festes zu kennen, betrinken diese sich noch viel schlimmer als die Einheimischen. Dann wälzen sie sich im Schlamm, was die Laoten nur bedingt gut finden. Fazit: Schnell hin, bevor das Fest völlig in westlicher Hand ist!

Beste Festivals: Eine Rakete schiesst in den Himmel beim Rocket festival in Vang Vieng

Wann: Jedes Jahr im Mai.
Wo: Laos und Nordosten Thailands. Besonders schön in Vang Vieng, Laos.
Gut zu wissen: Keine zwei Kilometer vom Dorfkern Vang Viengs entfernt beginnt wundervolle Natur, die man fast für sich alleine haben kann. Also: Fahrrad mieten und raus aus dieser schrecklichen Ansammlung von Party-Backpackern!

Spring Break

Alljährlich zu den Semesterferien im Frühling pilgern Zehntausende vergnügungshungriger Studenten an die Strände der USA und Mexikos auf ihrer Suche nach den beste Festivals. Es verhält sich mit diesem Fest ähnlich wie mit so manchen Clubs oder Partyorten, von denen man hört. Auf eine gewisse Weise ist man schon im Voraus davon angewidert, und doch lassen sie einem keine Ruhe, bevor man sie nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Da ich auf meinem Weg nach Cuba eine Zwischenstation in Mexico machen musste und dieser Layover genau auf den Anfang der Springbreak-Feierlichkeiten fiel, liess ich es mir nicht nehmen, die ersten Wehen des Spektakels unter die Lupe zu nehmen.

Cancun ist der vielleicht hässlichste Ort Mexicos. Es sei denn, man hat ein Faible für Hotelburgen und Fast-Food US-amerikanischer Ketten. Hinter der Wand aus Hotels jedoch befindet sich ein Strand, an welchem sich nicht viel aussetzen lässt. Hier bereiten sich die jungen Amerikaner auf den Abend vor, indem sie sich bräunen, ihre Muskeln trainieren oder sich schon mal warmtrinken. Hier muss man den Alkohol nicht mal in Papiertüten verstecken, wie praktisch. Der eigentliche Spass jedoch beginnt abends. Hierfür bietet Cancun fast so viele Bars und Clubs wie die Habanero-Chilischote Scoville-Einheiten hat. Zwei Abende in Folge habe ich mir angeschaut, wie hier gefeiert wird und dabei versucht, objektiv und guter Dinge zu bleiben.

Beste Festivals: Strand während Spring Break in Cancun

Doch viele der Studenten, die hier zügellos die Sau rauslassen, sind nicht sonderlich sympathisch. Den meisten Anwesenden traut man im Prinzip nicht mal zu, dass sie schreiben oder lesen können. Saufen jedoch können sie, und das müssen sie auch! Denn in den meisten Bars kann man für knapp 12 Euro von allem so viel trinken, wie man eben trinken kann. Open Bar nennt sich diese Art der Party, die es darauf abgesehen hat, jegliche Prüderie und eventuelle moralische Bedenken noch im Keim zu ertränken.

Dann wird geflirtet, und das aufs Schlimmste. Habe ich das richtig beobachtet, so ist bei den Jungs die Muskulatur, bei den Mädels die Kürze des Rocks ein Garant für potentielle Gesprächspartner. Zur grauenvollsten Musik, die man sich vorstellen kann, beginnen die Kids sodann meist unbeholfen zu schwofen. Nahezu unbekleidete Kellnerinnen versuchen, den Betrunkenen mit Shots zusätzliches Geld aus der Tasche zu leiern. Animateure bringen betrunkene Mädels dazu, auf der kleinen Bühne mitunter alle Hüllen fallen zu lassen. Sie werden sich tags drauf nicht daran erinnern können, dass Hunderte sie im Eva-Kostüm gesehen haben. Das Publikum hoffentlich auch nicht. Ab und an fällt mal ein Mädel in einem zu kurzen Rock vom Stuhl und steht nicht mehr auf. Die Kellner entsorgen sie dann diskret.

Sollten einmal Außerirdische landen und zufällig als erstes eines dieser Feste besuchen, wäre eine Auslöschung der menschlichen Rasse nur  mehr verständlich.

Beste Festivals: Food Truck während Spring break in Cancun

Wann: Jedes Jahr im März.
Wo: Entlang der südlichen Ostküste Nordamerikas. Besonders schlimm aber ist es in Cancun, Mexico.
Gut zu wissen:  Nur eine Bus-Stunde südlich des Touri-Getthos Cancun gibt es wundervolle, einsame Strände. Open Bar gibt es dort jedoch nicht.

Beste Festivals: Songkran

Das Songkran-Fest ist eigentlich eine buddhistische Tradition zur Begrüßung der Regenzeit sowie des neuen Jahres nach buddhistischem Kalender. Man zelebriert es überall in Thailand sowie in vielen laotischen Städten. Gemäß alter Tradition malen sich die Menschen gegenseitig etwas Farbe ins Gesicht und besprenkeln einander mit ein paar Tropfen Wasser. Gerade in den größeren Städten scheint man sich heute jedoch mehr und mehr auf den Party-Aspekt des Festes zu konzentrieren.

Vier Tage lang bleibt nichts und niemand trocken, in den Städten herrscht Ausnahmezustand. Dahin die Zeiten des dezenten Besprenkelns. Heute beschiesst man einander stattdessen mit Wasserpistolen und Schläuchen oder giesst sich gleich ganze Eimer kalten Wassers über. Das kann bei Temperaturen um die 35 Grad eigentlich recht angenehm sein. So sehr man sich jedenfalls auch anstrengt, man kann den Wasserduellen nicht entkommen. Böse sein kann man jedoch auch niemandem, denn die Menschen lächeln um die Wette und selbst Erwachsene freuen sich schelmisch über das tagelange Spiel.

Beste Festivals: Kind mit Wassereimer während Songkran in Chiangm, Thailand

Man muss nicht dazu sagen, dass gerade die Thais, deren ganzes gesellschaftliches Leben ja im Grunde auf Sanook (Spass) fusst, rund um das Fest viele Parties veranstalten, bei denen getrunken, getanzt und Karaoke gesungen wird. Es gibt spontane Wasserschlachten zwischen Einheimischen und Touristen, organisierte Strassen-Umzüge und eine Menge nasser, aber ansteckend glücklicher Menschen, die einander vergnügt ‚Sawadee pi mai!‘ (Frohes Neues!) zurufen.

Dieses Festival ist ein solcher Spaß, dass ich es schon ganze drei Mal besucht habe und dies jederzeit wieder tun würde.

Beste Festivals: Wasserschlacht während Songkran in Chiangmai, Thailand

Wann: Jedes Jahr zu Neujahr, Ende April.
Wo: In ganz Südostasien, besonders interessant in den größeren Städten in Thailand und Laos. Persönlicher Lieblingsort dafür: Chiangmai.
Gut zu wissen: Gewitzte Thais kühlen ihr Wasser mit grossen Eisblöcken für eine besondere Überraschung. Und: Schwimmen in den Kanälen Chiangmais kann man nur jemandem empfehlen, der Lust auf Parasiten im Ohr hat.

Andalusischer Karneval

Als außergewöhnliche Form des Karnevals lässt sich die andalusische Variante empfehlen. Ganz Cádiz etwa steht Kopf während dieser paar Tage, die ja laut alter christlicher Tradition lediglich als Vorbereitung auf die Fastenzeit dienen sollen. Es steht zu bezweifeln, dass heute überhaupt noch jemand fastet. Das vorbereitende Festival hingegen wird heute ausufernder zelebriert denn je.

Die Menschen schlüpfen in teils ungewöhnliche Kostüme, alle naselang gibt es ein Feuerwerk und bei den Straßenumzügen trifft man eine bunte Mischung aus Touristen und Einheimischen. Zu Beginn eines jeden Abends, der für spanische Verhältnisse bereits recht früh beginnt, kauft man sich ein kleines Gläschen. Dieses wird dann gegen einen Obulus an unzähligen Ständen immer und immer wieder mit klebrig-süßem Sherry aufgefüllt, der im nicht weit entfernten Jerez de la Frontera hergestellt wird. Dieses omnipräsente und einigermaßen erschwingliche Getränk hat eine erstaunlich euphorisierende Wirkung; der Kater, den es mit sich bringt, ist jedoch ebenfalls nicht zu verachten. Bestes Katerrezept: Ein traditioneller lauwarmer Tintenfisch mit viel Öl, serviert auf einem Holzbrett. Und dann auf zum nächsten Umzug!

Beste Festivals: Nachts beim Karneval in Cadiz

Wann: Jährlich, meistens Februar.
Wo: Besonders nett in Cadiz, Spanien.
Gut zu wissen: Vorsicht vor der Strasse im Zentrum, welche die Einheimischen als Pissoir nutzen und die zu später Stunde ein wahrer See aus Urin ist!

Beste Festivals: Kazantip

Etwa 2005 begann man sich unter Travellern das Wort Kazantip zuzuraunen und spickte diese Erwähnung mit begeisterter Mimik und ein paar Anekdoten, die man irgendwo aufgeschnappt hatte. Es war die Rede von einem wochenlangen ausschweifenden Rave am Strand, organisiert von ukrainischen Freigeistern, die jeden Gast wie ein verloren geglaubtes Familienmitglied in ihre Reihen aufnahmen. Man sprach von einer nur vorübergehend existierenden Republik, die sich alles auf die Fahne schrieb, was die Welt etwas besser machte. Und natürlich erwähnte man auch die halbnackten bildhübschen Frauen, die im Prinzip ständig nur Sex wollten, und das am Liebsten mit ausländischen Gästen. Ein hedonistisches Utopia im ehemaligen Ostblock also. Doch damit nicht genug, sollte das alles auch noch so gut wie nichts kosten. Kein Wunder also, dass die Party am schwarzen Meer für viele zu einem Sehnsuchtsort wurde.

Viele Jahre später verschlug es mich im Rahmen eines Jobs dann tatsächlich zur legendären Superparty. Coolerweise fuhren wir von Berlin aus in Schrottautos hin. Jedoch sah die Sache vor Ort nun etwas anders aus als in all den Erzählungen, die vermutlich immer besser geworden waren, je mehr Münder sie passiert hatten.

Die Party war zwar noch immer mehrwöchig und die Ukrainerinnen waren auch nach wie vor sehr hübsch anzusehen. Jedoch hatte sich das Fest mittlerweile zu einem gut laufenden Unternehmen gemausert und vom ursprünglichen Spirit war auch nach ausgiebiger Suche nicht mehr viel zu entdecken. Alles war voller Werbung, die Sponsoren nahmen auch noch den letzten Winkel des viel zu gut organisierten Geländes für sich in Anspruch. An die Stelle ausschweifender Feierei war ein völlig normiertes Partyverhalten getreten, das im Grunde jedem x-beliebigen Festival glich. Danke auch, Globalisierung! Lediglich die auf dem Gelände verteilten Kunstwerke sowie ein ausgefallenes Kostüm hier und dort liessen erahnen, wie das hier einmal gewesen sein musste. Zu allem Überfluss wurde im Prinzip jede Bewegung überwacht von einer Armee an Security-Leuten, welche die Partygäste schon nach kleinsten Vergehen wie etwa dem Pinkeln ins Meer rauswarfen, und das mitunter brutal. Sie trugen Armeeklamotten, lächelten nicht viel und wurden begleitet von Schäferhunden, deren Köpfe so groß waren wie die von Löwen.

Mit der Ausnahme einiger internationaler Electronic-Acts herrschte grauenvolle Musik vor. Und selbst die viel beschworene Offenheit der Gäste – heutzutage fast mehr wohlhabende Russen als idealistische Ukrainer – liess sich kaum mehr verifizieren. Das wiederum konnte jedoch auch am nun saftigen Eintrittspreis von € 200 liegen.

Mein Fazit: Haltbarkeitsdatum abgelaufen.

Beste Festivals: Wandmalerei beim Kazantip Festival in der Ukraine

Wann: Jedes Jahr im Sommer.
Wo: Halbinsel Krim in der Ukraine.
Gut zu wissen: Man kommt auf der Krim vielerorts mit Russisch weiter als mit Ukrainisch. Und: Das gleichnamige Festival in Portugal hat mit dem Original nichts zu tun.

Mardi Gras

Nur ein gewöhnlicher Karneval? Weit gefehlt! In der einzigen Stadt der USA, wo man auf der Strasse trinken darf, weiß man, wie gefeiert wird. Und das nicht nur zu Mardi Gras, denn die von Hurricanes und schwacher Wirtschaft gebeutelten Stadtbewohner nutzen im Grunde jede Gelegenheit, um zu trinken und zu tanzen.

Beste Festivals: Perlen an einem Geländer während Mardi Gras in New Orleans

Doch während des Karnevals lassen es dann wirklich alle Bewohner der Metropole am Mississippi krachen. Dazu kommen noch Zehntausende Besucher aus den USA und dem Rest der Welt. Beste Festivals? Ja, dieses ist auf jeden Fall eines davon! Keiner, der in einem der hübschen Häuschen mit Kolonialarchitektur im French Quarter lebt, lässt es sich nehmen, seinen Balkon mit Flaggen und Perlen für die Feiertage herauszuputzen. Schon tagsüber stehen die Menschen trinkend in den Strassen herum und lassen sich von den Balkons aus Perlenketten zuwerfen. Nicht selten lassen die Werfer als Bezahlung nur nackte Haut gelten, was vermutlich nicht im Sinne des ursprünglichen Karnevals-Gedankens, aber doch recht unterhaltsam ist.

Abends beginnt dann die richtige Party. Jazz, Blues und Rock herrschen vor, aber auch elektronische Musik, Hip Hop und allerhand Experimentelles lässt sich in den zahlreichen Bars finden. Riesige Paraden ziehen durch die Stadt und werden von Unmengen an Zuschauern frenetisch gefeiert. Nicht selten geben sich bekannte Schauspieler auf den geschmückten Wagen die Ehre. Man sieht Menschen in extravaganten Verkleidungen und eine unvorstellbare Menge an in China produzierten Perlenketten, die den Zuschauern von den Wagen in die Hände fliegen. Abseits der Touristen-Horden, beispielsweise auf der Frenchmen Street, findet sich eine Bar neben der anderen mit guter live-Musik, netten Leuten und Drinks en masse.

Beste Festivals: Männer auf wagen währen Parade zum Mardi Gras

Wann: Jedes Jahr im Februar.
Wo: New Orleans, Louisiana, USA.
Gut zu wissen: Es gibt in New Orleans durchaus Viertel, die man meiden sollte. Über Jahrzehnte galt die Stadt als Hauptstadt des Verbrechens und das ist nach Hurricane Kathrina nicht gerade besser geworden.

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