Die ursprünglichen Orte dieser Welt werden rarer, das wissen wir alle. In Zeiten von Globalisierung, Instagram und ständig wachsenden Zahlen im Tourismus wird es immer schwerer, noch Orte für authentische Reiseerlebnisse zu finden.
Der Zufall wollte es, dass ich einen ebensolchen Ort entdeckt habe: Die Innere Mongolei. Diese sehr dünn besiedelte Region Chinas fliegt bisher völlig unter dem Radar der Reiseinteressierten. Und dabei ist die Innere Mongolei ein wahres Juwel! Für denjenigen, der ein wenig umdenkt und sich auf das Unbekannte einlässt.
Ich war hauptsächlich für die bildgewaltige Dakar Series China Rallye in der Inneren Mongolei, aber als eigentliche Attraktion entpuppte sich die Region selbst.
Und hier kommen sie: Alle Gründe, warum auch Du die Innere Mongolei genau jetzt besuchen solltest!
Endlose Weite, wilde Pferde und Kamele
Besucht man die Innere Mongolei, so muss man unbedingt aus den Städten raus. Denn erst dort offenbart sich ihre ganze Schönheit! Es empfiehlt sich etwa eine Fahrt von Alxa Left (paradoxerweise rechts auf der Karte, also östlich) nach Alxa Right (links auf der Karte, also westlich). Denn dieser sechsstündige Trip zeigt schnell, worum es in der Inneren Mongolei eigentlich geht.
Zwischen den beiden Städten gibt es fast nichts – keine Häuser, keine Menschen, keine Dörfer. Schon kurz nach der Stadtgrenze entfaltet sich eine sagenhafte Weite. Nicht nur, dass einem immer wieder Herden von Wildpferden begegnen, es gibt sogar auch wilde Kamele, die hier gerne mal mitten auf der Straße rumstehen!
Wirklich alte Geschichte
In den Weiten der Inneren Mongolei lassen sich Zeugnisse früher Kulturen finden, die zu den ältesten der Welt gehören. Die Steinmalereien am Mandela Mountain etwa gelten als die ältesten Asiens und stammen von Nomadenvölkern, die hier vor Tausenden von Jahren durchgekommen sind.
Man nennt den Ort der Felsmalereien daher auch die ‚Ancient Art Gallery‘. Noch dazu hat man von hier einen sagenhaften Ausblick in die Weite der Region.
Innere Mongolei: Unverdorbene Gastfreundschaft
An Orten, wo der Tourismus kaum oder gar nicht angekommen ist, trifft man meist die gastfreundlichsten Menschen. So auch hier in der Inneren Mongolei. Dermaßen unvoreingenommen und herzlich bin ich schon lange nicht mehr empfangen worden.
Die Menschen hier sind fasziniert von Besuchern und freuen sich sichtlich darüber, dass man da ist. Sie sind ernsthaft interessiert am Reisenden, doch Unterhaltungen sind so gut wie nie möglich, da hier fast niemand auch nur ein Wort Englisch spricht. Was macht man also stattdessen? Richtig: Gemeinsam essen, trinken und musizieren! Und sich dabei mit Händen, Füßen und lächelnden Gesichtern austauschen. Nicht selten fühlt man am Ende einer solchen Begegnung mehr Verbindung als nach einem herkömmlichen Small Talk zu Hause. Ist man bereit, seltsame Gerichte zu essen und eine Menge Schnaps zu trinken, warten auf den Besucher einmalige Erlebnisse.
Man sollte übrigens auch darauf gefasst sein, ständig um Selfies mit wildfremden Menschen gebeten zu werden! Mein Trick: Einfach immer auch gleich selbst eins schießen!
Wüste, Berge, Seen – Eine ursprüngliche Landschaft
Ganz wie im souveränen Staat Mongolei gibt es auch hier eine Menge Wüste. Dabei wartet die Innere Mongolei sogar mit der höchsten Wüste der Welt auf: Die Badain Jaran liegt auf bis zu 1600 Meter Höhe. Diese Wüste der Superlative ist zudem für die größten Dünen der Welt bekannt.
Doch sie ist nicht die einzige Wüste der Inneren Mongolei; in den Weiten um die wenigen Städte schließt sich im Grunde eine Wüste an die andere an. Das Besondere an der Badain-Jaran-Wüste: Immer wieder wird das Meer aus Sand von kleinen Seen unterbrochen. Diese trocknen niemals aus und beherbergen sogar Fische, was Forschern bis heute ein Rätsel aufgibt.
Am Horizont hat man nicht selten schroffe Berge, die einfach nur toll aussehen. Gerade in Kombination mit den gigantischen Dünen ergeben sich so atemberaubende Panoramen. Verpassen sollte man auch nicht die Sandskulptur von Dschingis Khan im Alxa Desert Geopark.
Für einen Besuch des zugehörigen Museums fehlte leider die Zeit, aber es ist auch von außen schon ein echter Hingucker:
Im Museums-Shop gibt es allerhand spannende Souvenirs wie etwa Bonbons aus Kamelmilch zu kaufen!
Verzauberte Tempel in der Inneren Mongolei
Nicht alle Tempel in der Inneren Mongolei sind original, doch selbst die Nachbauten in Städten wie Alxa Left sehen schon toll aus.
Verlässt man jedoch die Städte, so lassen sich wahre Perlen an Tempeln entdecken wie etwa der faszinierende Guangzong Tempel, der direkt an den Berghang gebaut wurde.
Fotografieren darf man an diesem Lama-Tempel nur außen. Doch wer sich wirklich verzaubern lassen möchte, der sollte sich eine Zeremonie im detailverliebten Innenraum des Tempels ansehen.
Zwischen mit Teppich umkleideten Säulen und unter hohen Decken mit bunt verzierten Balken kann man hier dabei zusehen, wie Menschen aus den Bergen mit Spenden zu den Mönchen kommen. Zu archaischer Musik und umweht vom Rauch hunderter Räucherstäbchen murmeln die Mönche und verteilen Essen unter den Gläubigen. Von den Wänden schauen Gemälde von Drachen, Schlangen und mystischen Wesen dabei zu. Ein sagenhaftes Erlebnis!
Schräge Sehenswürdigkeiten
Eines vorweg: Man muss immer eine ordentliche Strecke fahren, um eine Sehenswürdigkeit zu erreichen. So ist das eben in Gegenden mit einer solchen Ausdehnung.
Nicht mehr in der Inneren Mongolei, aber um die Ecke: Ganz in der Nähe von Yinchuan befindet sich eine wirkliche reizvolle Sehenswürdigkeit, die Xixia Kaisergräber. Über zweihundert Gräber liegen hier verteilt auf 50 Quadratkilometer, neun davon sind recht groß. Viel zur Geschichte der Gräber konnte ich nicht in Erfahrung bringen, doch die etwa 1000 Jahre alten Bauten vor der Bergkette sehen auch ohne Hintergrundiformationen einfach toll aus.
Wer es noch etwas schräger mag (und sich auf den Nonkonformismus der Inneren Mongolei einstimmen möchte), der sollte sich ein erst kürzlich ausgegrabenes Teilstück der chinesischen Mauer im Osten von Yinchuan ansehen: Shuidonggou. Die Mauer hier lässt sich zwar nicht vergleichen mit jenem prominenten restaurierten Stück nahe Peking. Doch dafür muss man sie sich hier auch mit ungleich weniger Besuchern teilen.
Doch das Beste an der Mauer in Shuidonggou: Direkt nach der eigentlichen Sehenswürdigkeit entspinnt sich ein wahrer Freizeitpark, den man sich auf jeden Fall gemeinsam mit den Hunderten einheimischen Touristen anschauen sollte! Doch Zeit sollte man genügend mitbringen. Denn ist man einmal drin, dann kommt man tatsächlich auch erst nach der letzten Attraktion wieder raus. Hier chronologisch, was man alles erlebt: Vom Rücken eines Pferdes geht es gewissermaßen nahtlos auf eine kurze Bootsfahrt. Kaum hat sich die träge Masse aus dem Boot aufs Land gewälzt, wird sie auch schon auf zahlreiche Wägen verteilt, die von Kamelen gezogen werden. Die Krokodilfarm kann man zum Glück umgehen, doch am Bambusboot geht kein Weg vorbei. Direkt anschließend geht es noch durch einen Irrgarten aus Höhlen und Souvenirständen, bevor man nach knapp drei Stunden wieder den Ausgangspunkt erreicht. Ein unvergleichliches Erlebnis, nach dem man nur dümmlich grinsend den Kopf schüttelt.
Das Essen der Inneren Mongolei – ebenfalls ein echtes Abenteuer!
Da man sich wirklich fast nirgends verständlich machen kann, muss man beim Essen eine ordentliche Portion Abenteuerlust mitbringen.
Wer das tut, der wird reich belohnt. In zwei Wochen vor Ort habe ich kein Gericht zwei mal gegessen, und wirklich fast alles war wahnsinnig lecker. Komplett anders als alles, was man sich sonst unter chinesischem Essen vorstellt, kann man sich hier hier durch wahrlich exotische Geschmacksrichtungen probieren.
Das beginnt in der Regel schon morgens im Hotel. Kaffee sucht man vergeblich, wie wäre es stattdessen mit warmer Kamelmilch?! Wer gerne süß frühstückt, der wird sich hier ebenfalls umschauen. Zwanzig verschiedene Speisen, alle herzhaft. Und nicht ein Hinweisschild, um was es sich dabei handelt.
Keinesfalls verpassen sollte man eines der zahlreichen Hot-Pot-Restaurants! Jeder Gast gart sich hier seine eigenen Speisen im heißen Sud. Besonders aufregend dabei ist auch die individuelle Zusammenstellung der Sauce aus zahlreichen Zutaten, die selbstverständlich ebenfalls nicht beschriftet sind.
Eine konkrete Empfehlung für ein Restaurant in Alxa Left habe ich auch noch: Direkt beim Taixixi International Hotel befindet sich das Baba’s Barbecue Restaurant. Hier haben wir mehrmals richtig gut gegessen. Wer sich gerne überraschen lässt, ist hier genau richtig, denn die Karte ist auf Mandarin und niemand spricht Englisch. Doch Vorsicht: Einige der Gerichte sind wahnsinnig scharf!
Ungewöhnliche Städte zum Entdecken
Weder Alxa (sprich: Alashan) Left noch Alxa Right geben sich dem Besucher einfach so preis, man muss für die Entdekung der Städte in der Inneren Mongolei schon ein wenig Entdeckertum mitbringen. Touristen sehen die Städte so gut wie nie, daher gibt es auch wenig Hinweisschilder.
In Alxa Right empfiehlt sich besonders ein nächtlicher Rundgang durch die Stadt, denn dann sind fast alle Gebäude aufwändig beleuchtet. Ob man das schön findet, ist Geschmackssache. Außergewöhnlich und faszinierend ist es allemal!
Alxa Left hat wirklich ein paar schöne Ecken zu bieten. Abgesehen vom oben genannten Tempel verfügt die Stadt über einige Shops, viele Restaurants und sogar ein Stadion. Es ist ein echtes Ereignis, einfach ziellos durch die Gegend zu streifen und zu versuchen, das tägliche Leben der Stadt zu begreifen.
Besonders empfehle ich jedoch den Yingpan Mountain im Nordosten der Stadt. Von hier hat man einen tollen Blick über die ganze Stadt und bis rüber zu den schneebedeckten Berggipfeln.
Besonders schön ist es, sich hier an einem sonnigen Nachmittag zu den einheimischen Flaneuren zu gesellen und bis hoch zum seltsam raketenförmigen Bau zu laufen, dessen Bedeutung ich noch nicht ergründet habe. Doch das absolute Highlight: Für umgerechnet 2 Euro eines der batteriebetriebenen Fahrzeuge mieten und gemeinsam mit Jung und Alt zu plärrender Popmusik ein paar Runden drehen!
Ein Stück Zukunft erleben
Hat man sich eine Weile lang das teils archaische Leben auf dem Land der Inneren Mongolei angesehen, so kommt irgendwann unweigerlich der Moment, in dem man verblüfft ist. Denn möchte man hier per Bargeld zahlen, wird man früher oder später schräg angesehen. Das Geheimnis: WeChat. Die App, die in ganz China gewissermaßen Facebook, Whatsapp, Ebay sowie noch ein paar weitere Apps ersetzt, benutzt man hier auch zum bezahlen. Und das noch im kleinsten Kiosk und sogar am Kaffeeautomaten im Nirgendwo!
Mein Kollege Oliver hat die App Wechat genau unter die Lupe genommen und gibt konkrete Bedienhinweise.
Das letzte Paradies für Raucher
Es ist faszinierend: Alles, was bei uns im Bezug auf Zigaretten in den letzten zwei Jahrzehnten geschehen ist, hat die Innere Mongolei offenbar spurlos passiert. Hier raucht fast jeder, und das auch noch im Akkord. Kioske bieten Dutzende Zigarettenmarken zum Verkauf, von denen man noch nie etwas gehört hat. Gequalmt wird nicht nur im Hotelzimmer, im Restaurant und im Auto. Selbst im Aufzug lässt der mongolische Mann nicht von seiner Zigarette.
Klar, das kann mitunter auch mal nerven. Hauptsächlich aber ist es ein weiteres Indiz dafür, wie anders die Dinge in der Inneren Mongolei laufen.
Fazit: Auf einem anderen Planeten!
Alles, was ich bisher geschildert habe, führt zu einem interessanten Phänomen: Immer wieder bekommt man in der Inneren Mongolei das Gefühl, der erste Besucher überhaupt zu sein. Allein beim Gedanken daran bekomme ich Gänsehaut!
Nicht nur ist hier alles anders als man es kennt. Meistens hat man aufgrund der Sprachbarriere auch keinerlei Gelegenheit, diesen unbekannten Sinnesreizen auf den Grund zu gehen. Dass man fast überall der einzige westliche Tourist weit und breit ist, verstärkt nur noch dieses Gefühl, sich geradezu auf einem anderen Planeten zu befinden. Und das ist tatsächlich das Gefühl, das ich mir am intensivsten mit nach Hause gebracht habe.
Fakt ist: Sobald mehr Menschen dort hinreisen und sobald sich die Einheimischen auf Reisende einstellen, wird sich dieses Gefühl dermaßen intensiv nicht mehr erleben lassen. Und daher ist dieser Punkt auch der Hauptgrund für mich zu sagen: Hin da! Und zwar so bald wie möglich!
Wie kommt man hin, wie kommt man rum?
Startpunkt für die Innere Mongolei ist die Stadt Yinchuan, von Peking etwa ist man mit dem Flugzeug in drei Stunden dort. Ich habe von Yinchuan leider gar nichts gesehen, weiß jedoch, dass es eine futuristische Modellstadt ist, in der die Chinesen viele neue Konzepte wie etwa das Bezahlen mit Iris-Scan testen. Spannend also!
Es ist leider fast unmöglich, in China selbst zu fahren, da man eigens hierfür einen Führerschein beantragen muss. Mein Tipp daher: Im besten Fall bucht man sich in Yinchuan einen Fahrer, der Englisch spricht. Er kann alles Weitere unterwegs regeln. Spart eine Menge Nerven. Und lässt einen noch viel tiefer in die Kultur eintauchen, als wenn man es auf eigene Faust versucht.
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