Food Tour Athen: Mit den Ohren schmecken!

Fischmarkt Athen

Die griechische Küche gehört zu den Top-Küchen Europas. Griechische Restaurants gibt es in Deutschland zu Hauf. Und so weiß man gar nicht so genau, wo man mit dem Essen anfangen soll, wenn man in Athen ist. Schon gar nicht, wenn man die in Deutschland bekannten Klischee-Gerichte erst einmal ausklammern möchte. Mein Tipp:

Eine Food Tour Athen mit alternative-athens.com

Alternative Athens veranstaltet eine ganze Reihe ungewöhnlicher Touren. Ich hätte gerne an noch weiteren teilgenommen, aber es hat zeitlich leider nicht gepasst. So war ich zumindest froh, bei der Food Tour Athen dabei sein zu können.

Griechisch oder türkisch? Erst mal einen Kaffee!

Die Tour beginnt am Monastiraki Platz, der sowieso schon einen Besuch wert ist. Monastiraki bedeutet „kleines Kloster“ und die Reste dessen stehen noch immer in der Mitte des Platzes. Dazu hat man von hier einen spektakulären Blick auf die Akropolis und der riesige Flohmarkt beginnt gleich nebenan.

Wir trinken bei Kafenio III (111 Ernou Street) einen starken Kaffee, den ich schon in den letzten Tagen lieben gelernt habe. Stark, süß und mit viel sandigem Kaffeesatz, den man besser dafür nutzen sollte, die Zukunft vorauszusagen, als ihn mitzutrinken. Doch Überraschung: Wie bei so vielen Gerichten in der griechischen Küche liegen die Wurzeln des Kaffees ganz woanders, nämlich in der Türkei. Immerhin befand sich Griechenland knapp 450 Jahre lang unter türkischer Herrschaft. Und so ist hier – wie übrigens auch in Bulgarien und Ungarn – einiges kulinarisch von den Ottomanen beeinflusst.

Menschen udn gebäude in Athen
Monastiraki Platz; das kleine Kloster; Verkäufer; griechischer Kaffee

In Griechenland stellt sich die Geschichte jedoch noch etwas drastischer dar: Knapp 2 Millionen ethnische Griechen, die lange in Kleinasien, dem heutigen Anatolien, gelebt hatten, wurden 1923 geradezu auf einen Schlag nach Athen umgesiedelt. Spätestens da kamen dann noch mal eine Menge neuer türkischer Traditionen ins Land. Diese Geschichte erklärt etwa auch das sogenannte Lukum, in Athen omnipräsent, bei uns aber vor allem als Türkischer Honig bekannt. In Griechenland wird diese Süßspeise oft unter Verwendung Harz hergestellt, was ihm einen besonderen Geschmack verleiht, der dann zumindest typisch griechisch ist.

Mir gefällt sehr gut, wie es bei dieser Food Tour erst mal gar nicht so sehr ums Essen geht, sondern um alle Faktoren, die zu jenen Speisen geführt haben, die man heute als typisch griechisch betrachtet. Unsere freundliche Führerin Melina hat zu allem eine Geschichte parat und man merkt, dass sie selbst fasziniert ist von der Thematik.

Wahrsagen leichtgemacht: Der Kaffeesatz

Der Kaffee wird in einem sogenannten Briki gekocht, bis er schäumt. Tipp: Erst nach dem Schäumen sollte man Zucker hinzugeben, da dieser sonst karamellisiert.

Nachdem wir fertig sind, leert Melina den Kaffeesatz auf die Untertasse und blickt vielsagend in die Tasse. Doch nach ein paar Sekunden bangen Wartens unsererseits gibt sie zu, dass sie keine Ahnung hat, wie man in den Krusten in der Tasse die Zukunft lesen kann. Wir sind ihr auf den Leim gegangen!

Auf unserem Weg ins Viertel Psiri passieren wir viele Fahrradläden. Melina erklärt uns, dass die Athener erst seit der Finanzkrise viel Fahrrad fahren. Ganz einfach, weil sich nicht mehr jeder ein Auto leisten kann.

Der nächste Stop ist einer der ältesten Läden für Koulouris, Sesamringe, die man in Berlin ebenfalls eher vom Türken kennt. Doch diese hier sind unglaublich lecker. Das entschädigt auch dafür, dass ich auf der vom Sesam ganz öligen Eingangstreppe fast auf die Schnauze falle! (To Koulouri tou Psiri, 23 Karaiskaki Street)

Koulouris und ein Motorroller in Athen
Koulouris en masse; die sehr rutschige Eingangstreppe und eines der dreirädrigen Koulouri-Taxis

Bei einem Blick vor den Laden verstehe ich plötzlich auch noch etwas Anderes, nämlich die seltsamen dreirädrigen Mopeds (die meisten von Euch wissen, dass ich für schräge Gefährte eine Schwäche habe…): Mit diesen Dingern, die ich schon seit Tagen aufmerksam beobachte, werden die Koulouris auf die ganze Stadt verteilt. Sie sind der beliebteste Snack der Athener und auch die Tauben scheinen ein gewisses Faible für die Ringe zu haben.

Für Naschkatzen: Bougatsa und Konsorten

Weiter geht’s durch Psiri. Wir erfahren, dass das Viertel im 19. Jahrhundert sehr beliebt war, besonders auch bei der griechischen Mafia, die damals ihre Blütezeit hatte. Danach wurde Psiri ein Arbeiterklasse-Viertel, bevor es erst vor wenigen Jahren in das ‚Soho Athens‘ verwandelt wurde. Doch wir kennen das von Berlin, der Hype zieht mitunter schnell weiter in Zeiten wie diesen. Heute, nur eine Dekade später,  findet sich das hippste Viertel nahe des Syntagma-Platzes. Verteilt um die Kirche Santa Irena liegen heute die angesagten Bars und Clubs. Psiri hingegen ist trotzdem noch sehr nett.

Wir stoppen bei Thessaloniki at Psiri (1 Platia Iroon Square) und schauen einem Bäcker dabei zu, wie er mit Leichtigkeit einen Teig dermaßen dünn schwenkt, dass er beim Drehen Blasen wirft. Dieser Teig wird zu Bougatsa, einer köstlichen Süßspeise aus Griechenlands Norden. „We also call this air pastry“, lacht Melina, und das macht durchaus Sinn. So luftig sind die Bougatsa trotz ihrer Sahnefüllung und so lecker süß.

Ein Bäcker bei der Herstellung seiner Backwaren
Der Teig-Magier und seine Produkte.

Wir ziehen weiter. Ein Mitglied der Gruppe weist darauf hin, dass sich die Architektur Athens wirklich an jeder Ecke verändert. „Architectural anarchy“, nickt Melina ohne weiteren Kommentar.

Wir passieren ein traditionelles griechisches Café, nicht viel mehr als eine Betonhöhle mit Plastikstühlen. Und doch möchte man sich glatt zu den alten Männern dazusetzen, deren lautstarker Plausch von arabisch anmutender Musik untermalt wird. Cafés dieser Art gibt es in Athen zu Hunderten.

Direkt dahinter öffnet sich der Blick auf die tollste griechisch-orthodoxe Kirche, die ich bisher gesehen habe: San Dimitrios. Ich muss in den letzten Tagen schon ein paar Mal unmittelbar dran vorbeigelaufen sein!

Flaggen vor der San Dimitrios Kirche in Athen
San Dimitrios Kirche

Überraschung: Kamelfleisch

Der nächste Stop ist ein berühmter Metzger, Miran (5 Evripidou Street), bereits seit 1922 im Geschäft. Seine Spezialität: Pastourma, getrocknetes Fleisch vom Rind oder gar vom Kamel! Die Ummantelung aus Kräutern verschafft den Scheiben einen unwirklich aussehenden Rand. Das Fleisch jedoch ist wahnsinnig lecker. Auch gerne gekauft wird hier Soutzouki, eine scharfe Wurst. Info am Rande: Das Fleisch vom Kamel kostet mehr als fünf mal so viel wie das Rindfleisch.

Verschiedene Produkte beim Metzger Miran in Athen
Beim Metzger Miran.

Hinter der nächsten Ecke duftet es plötzlich von allen Seiten. Wir befinden uns in einer Strasse voller Kräutergeschäfte. Der Laden unserer Wahl ist das Elixir (41 Evripidou Street), dessen Duft einen fast umhaut. Wir schnüffeln an einer Menge Kräuter und lernen, dass hier wie überall auf der Welt das höchste Attribut, das ein Kraut sich verdienen kann, ist: Aphrodisisch. Menschen – man muss sie irgendwie mögen!

Trocknende Kräuter in einem Geschäft
Trocknende Kräuter überall.

Besonders im Gedächtnis bleibt der griechische Oregano, den man hier in fast jedem Gericht verwendet. Die Griechen verehren das Kraut geradezu, erzählt uns Melina. Ebenfalls interessant: Griechenland ist eines der wenigen Länder, die Safran ernten. Doch fast die ganze griechische Ernte des weltweit teuersten Gewürzes geht in den Export, da der Safran in der heimischen Küche keine Tradition hat.

Ziegenköpfe und Fischgeruch – der zentrale Markt von Athen

Wir erreichen Athens zentralen Markt Varvakios Agora (Armodiou Street). Mann, wie ich Märkte liebe!

Zunächst geht es an den ganzen Gemüsehändlern vorbei, die ihre Waren lauthals anpreisen und uns dabei freundlich zulächeln. Alles hier wird nach Kilo berechnet. Und man hat nicht die Möglichkeit, die einzelnen Früchte auszuwählen, sondern bekommt das, was der Verkäufer einem überreicht. Daher aber auch die unschlagbaren Preise!

Verkäufer und Produkte auf dem zentralen Markt in Athen
Der Gemüsemarkt.

Wir kosten unterschiedliche Olivensorten. Klein, groß, grün, braun, glatt, schrumplig – eine Sorte leckerer als die andere!

Dann wird es visuell und olfaktorisch ein wenig anstrengender: Auf der gegenüberliegenden Strassenseite beginnen die Hallen mit Meeresfrüchten und Fleisch. Außer den ganz großen Fischen kommt hier alles aus griechischen Gewässern. Tintenfische, Krabben, Fische in allen Variationen. Die Verkäufer schreien, schieben Produkte in vorteilhafte Positionen und wässern immer wieder ihre Ware, damit sie frischer aussieht. Der Geruch haut einen von den Socken!

Verkäufer und Produkte auf dem zentralen Markt in Athen
Die Fisch-Halle.

In der Halle mit dem Fleisch riecht es subtiler, doch was sich dem Auge hier bietet, ist noch eine Ecke brutaler. Zunächst Zungen und Innereien, dazwischen hängen halbe Rinder, Schweine und Ziegen. In den nächsten Vitrinen dann Füsse und schließlich gehäutete Schafsköpfe. Sieht nicht schön aus, aber wenigstens scheinen die Griechen nichts von einem Tier übrig zu lassen.

Metzger mit Fleisch auf dem zentralen Markt in Athen
Letzte Prüfung: Schafsköpfe und Schweinefüsse.

Ein kleiner Gang führt uns aus der Halle direkt in die Fussgängerzone, wo man nichts von all den toten Kreaturen ahnt, die ganz in der Nähe an Fleischerhaken hängen.

Noch ne Überraschung: Sinkende Preise

Wir kehren ein bei Krinos (87 Aiolou Street), vom Interieur her laut Aussage Melinas nahezu unverändert seit den 60ern. Hier gibt es eine weitere Spezialität für Naschkatzen: Loukoumades, eine Art griechische Donuts. Man serviert sie schwimmend in viel, viel griechischem Honig! Was wir zu dritt verzehren, wäre normalerweise eine einzige Portion.

Loukoumades und Wassergläser auf einem Tablett
Loukoumades – lecker!

Fasziniert stellen wir fest, dass die Speisekarten mit einem ausgefallenen System unter den Tischen befestigt sind. Noch faszinierender ist es jedoch, dass die Preise allesamt durchgestrichen und durch günstigere ersetzt wurden. Sinkende Preise? Die beiden Amerikaner sagen, dass es ein solches Phänomen bei ihnen überhaupt nicht gibt und auch ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zuletzt gesehen habe.

Zum Mitnehmen: 2000 Produkte

Unsere vorletzte Station ist das Pantopolio Mesogiakis Diatrofis (1 Sofokleous and Aristidou Street), ein großes Kaufhaus für Bio-Produkte aus Griechenland. Hier gibt es wirklich alles!

In der hintersten Ecke testen wir uns lediglich durch eine kleine Auswahl des Sortiments. Denn dieses umfasst wahnsinnige 2000 Produkte!

Weinflaschen im Geschäft Pantopolio Mesogiakis Diatrofis in Athen
Im Pantopolio Mesogiakis Diatrofis.

Wir beginnen mit Olivenöl und lernen, dass das Olivenöl mit dem geringsten Säureannteil aus Griechenland stammt. Tatsächlich haben die Griechen ihr Öl jedoch über Jahrzehnte an Italien und Spanien verkauft, die es dann als das ihre ausgaben und weiterverkauften. Erst seit ein paar Jahren geht griechisches Öl nun direkt in den Export. Und es ist köstlich! Es schmeckt kräftig, fruchtig und sehr gesund. Ein zweites Öl, etwas milder im Geschmack, trifft nicht ganz meinen Nerv.

Als nächstes kosten wir den nationalen Käse, Feta, mit Öl übergossen und mit dem oben erwähnten Oregano bestreut. Ebenfalls sehr lecker.

Food Tour Athen: Mit den Ohren schmecken

Dann reicht uns Melina eine Tomaten-Tapenade mit Kapern. Ich muss sofort ein Glas kaufen!

Doch es wird immer besser. Kurz schwenken wir wieder auf süß um: Thymian-Honig! Den Imkern bleiben jedes Jahr nur knapp zehn Tage Zeit, in denen der Thymian blüht. Köstlich!

Und nun probieren wir zum ersten Mal an diesem Tag etwas Saures. Würde man zumindest denken. Wir trinken Essig, und das auch noch aus Schnapsgläsern! Doch was uns hier angeboten wird, sind sehr besondere Essigsorten und noch dazu komplett Bio. Essig 1 schmeckt nach grüner Minze und Pfefferminz. Was für eine Geschmacksexplosion! Tatsächlich habe ich direkt nach dem Schlucken das Gefühl, dass meine Ohren plötzlich viel besser hören. Und, dass ich die Kräuter und den außergewöhnlichen Geschmack in meinem rechten Ohr schmecken kann!

Der zweite Essig mutet weihnachtlich an, er kommt mit Koriander, Nelken und Zimt. Auch gut, aber nicht so gut wie der erste. Der überraschend aufgekeimte Geschmackssinn in meinem Ohr hat sich leider auch schon wieder verabschiedet.

Dann gibt es noch eine cremige Marmelade aus Feigen und einen Likör aus Mandarinen, mit dem man sich am liebsten einreiben möchte! Zu guter Letzt trinken wir einen Rotwein, der erst mal recht unauffällig daherkommt. Doch nach einem weiteren Stück Feta entwickelt er völlig neue, sehr würzige Nuancen. Meine Geschmacksnerven tanzen so langsam Ringelrein!

All-time classic: Souvlaki Pita

Ich traue mich ja kaum daran zu denken, nach all dem, was Melina uns in den letzten Stunden hat probieren lassen: Ich habe tatsächlich ein bisschen Hunger. Wie empfohlen bin ich heute früh mit leerem Magen zur Tour erschienen und jetzt habe ich doch das Gefühl, dass die kleinen Snacks sich nicht zu einer kompletten Mahlzeit addiert haben.

Menschen vor einem Cafe in Athen
Griechisches Café

Doch Melina hat eine letzte Überraschung parat: Sie serviert jedem von uns ein Gericht, an das ich mich noch sehr gut von meinem letzten Besuch vor 19 Jahren erinnern kann: Souvlaki Pita. Dafür bringt Melina uns zu einem der Top-Souvlaki-Restaurants: Kosta (2 Agia Irini Square)

Souvlaki ist ein Fleischspieß, entweder vom Huhn oder vom Schwein. Und das Pita dazu ist ein Brot, das so vor Hunderten Jahren eher durch Zufall entstanden ist, nämlich gewissermaßen als Kreuzung aus einem italienischen und einem arabischen Brot. Zum Fleisch sind im Brot noch Salat, ein paar Pommes sowie Tsatsiki, die Knoblauchsauce, die im Grunde jeder kennt. Und so sind wir, gewissermaßen beim letzten Bissen, doch noch beim Klischee-Gericht gelandet. Doch halb so wild: Es schmeckt einfach nur gut!

Hinweis: Alternative Athens hat mich netterweise auf diese Tour eingeladen. Meine Meinung bleibt davon natürlich unberührt.

Mehr von Marco Buch

13 Dinge, die ich alleine unter Modejournalistinnen gelernt habe

Neulich nahm ich an einer fünftägigen Pressereise in Tunesien teil. Nicht zuletzt...
Weiterlesen

5 Kommentare

  • Was für ein Bericht! Jetzt muss ich erst einmal essen gehen ;) Wir waren vor etwa 2 Wochen in Athen und ich muss sagen, dass es rund um den Monastiraki-Platz bei dem ganzen Treiben gar nicht so einfach ist, einen ruhigen Laden zu finden (ja überhaupt ne ruhige Ecke zu sitzen), um etwas zu essen. Ich fand den griechischen Kaffee ehrlich gesagt gar nicht so stark und Lukum wie auch Koulouris sind in meinem Auge oder eher Mund eher Geschmackssache. Souvlaki Pita ist nicht ohne Grund so beliebt (lecker!) und Loukoumades ist einfach göttlich. (Die Waage daheim sagt, ich habe in Athen 4 Kilo zugenommen.)

    LG, Vera

    P.S. Welche Kirche Santa Irena meinst Du eigentlich? Kann Sie irgendwie nicht finden…St. Irene Chrysovalantou?

    • Danke sehr! 4 kg?! Wow!
      Und was die Kirche Santa Irena angeht: Da muss ich leider passen. Das hatte sie mir so gesagt, vielleicht habe ich da auch was falsch verstanden…

  • Toller Bericht von einer spannenden Tour! Da ich jetzt gerade in Athen bin ist das natürlich passend. Da ich Märkte über alles liebe, werde ich mich morgen gleich zum Central Market aufmachen. Danke für den Tipp!

Kommentar schreiben

Deine Email wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert