Mit diesen Texten ging im Grunde alles los, daher möchte ich mit diesen auch meinen Blog eröffnen. Acht Wochen in Mexiko, Sprachkurs und Reise kombiniert. Eine tolle Zeit, von der ich damals viel zu berichten wusste. Dieser Artikel muss leider ohne Fotos auskommen, da ich diese damals noch analog machte und sie noch nicht digitalisiert habe.
Mexico City und Teotihuacan
Teil 1
Die erste Woche Mexico habe ich ohne jegliche Blessuren überlebt, bisher war mir nicht mal schlecht. Und das, obwohl ich an jeder Straßenecke irgendeinem pendejo kleine mexikanische Leckereien abkaufe! Die ersten Tage in Mexico-City waren gezeichnet von roten Augen und Kurzatmigkeit, was an der Hoehe (2200 m) und der Luftverschmutzung lag. So gefaehrlich man mir die Stadt auch beschrieben hatte, habe ich doch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Allerdings habe ich etwas so Grosses noch nie gesehen, Lichter bis zum Horizont. Einen Tag war ich bei den Pyramiden von Teotihucan, was wirklich beindruckend war. Ein Indio gab uns eine Fuehrung und wir unterhielten uns ueber Carlos Castaneda. Teotihuacan gilt als der Energieort schlechthin. In meiner Hostel nahe dem groessten Platz, Zocalo, habe ich jeden Tag neue Leute kennengelernt und mit ein paar Mexikanern und mehreren Gitarren das Haus gerockt. Der witzigste Typ war ein kleiner Hawaiianer, der mich in die Koestlichkeiten mexikanischer Strassenkueche einwies.
Freitag Abend dann voellig dicht zum Busbahnhof, um statt einem etwa 200 Busse und eine Menschenmenge, die einer Kleinstadt entsprach, vorzufinden. Hab’s dann aber doch noch nach Guadalajara geschafft, wo ich und Sinje uns getroffen haben. Lungerten dann den ganzen Tag am Busbahnhof rum, bis sie sich schliesslich entschied, doch mit ihren Leuten von der Uni zu reisen, da ich ja auch eh nur noch eine Woche bis zum Kurs habe. Ich habe mich dann auf weitere 6 Stunden Bus, quer durch die Sierra Madre eingelassen, um nach Barra de Navidad zu kommen, ein winzig kleiner Ort am Meer, voller Mexikaner und Pick-Ups, wie man sie aus Filmen kennt. Seither froehne ich der Langsamkeit und dem Fotografieren eben jener Pick-Ups, esse hier und da ein paar Tacos und trinke das eine oder andere Corona. Da hier ausser mir niemand Nichtmexikaner ist, bleibt mir nichts anderes uebrig, als Spanisch zu sprechen oder zu schweigen. Im Moment ueberwiegt noch Letzteres!
Ach ja, ein anderer ‚Extranjero‘ ist noch hier, eine Kanadierin, die ich so auf Mitte 40 schaetze und die mir gern von ihren Experimenten mit Peyote Ende der 70er erzaehlt! Ich hause in einem schimmligen Loch, der Ventilator knarrt, aber sichert mein Ueberleben, denn hier ist es so warm, dass allein das Heben der Wasserflasche mir Schweissausbrueche beschert! Der Hausherr spricht nicht mit mir, aber das muss er ja auch nicht. Ich sollte allen etwas klarer machen, das ich kein Gringo bin, denn das scheint das Problem zu sein. Jedenfalls ist es hier fantastisch, wenn auch der Strand nicht so schoen ist wie in Indien. Aber das authentische mexikanische Leben zu beobachten und zu entdecken, dass auch laengeres Herumsitzen ohne jegliche Taetigkeit durchaus Spass machen kann, ist einfach herrlich! Werde mich wohl morgen oder so noch etwas weiter in den Sueden wagen, wo man angeblich in Haengematten am Strand schlaeft und es perfekte Wellen zum Boogieboarden gibt. Am Samstag werde ich dann ich Guadalajara einlaufen, wo am Montag mein Kurs beginnt. Von dort gibt es dann weitere Reiseberichte! Muchos saludos a todos y hasta pronto, marco
Teil 2
Die ersten Tage der letzten Woche in Barra de Navidad verbrachte ich mit schlafen, lesen und dem Spielen meines geliebten Saiteninstruments. Durch das Lesen lernte ich viel ueber die mexikanische Geschichte, die mir bis dato eher wenig gelaeufig war und das Ganze fing an, mich wirklich zu faszinieren. Besonders gefaellt mir die Zeit der grossen alten Kulturen wie der Tolteken, Maya und Azteken, aber auch jener Zivilisation, deren Pyramiden ich in Teotihuacan nahe Mexico-City besichtigt hatte. Besonders spannend sind die ganzen Kulte und die verschiedenen Formen der Goetterverehrung sowie die grosse Anzahl an Goettern und deren Bedeutung. ‚Quetzalcoatl‘ bricht einem nicht nur die Zunge, sondern ist zugleich der Name des fuer verschiedene Kulturen bedeutendsten Gottes. Die Maya hatten vorausgesagt, dass er 1521 zurueckkehrt (die Azteken hatten ihn vertrieben), und just in jenem Jahr betrat Hernan Cortes und der Rest der spanischen Eroberer das Land. Ist das nicht unglaublich und verwirrend zugleich?!
Ausserdem ist es ausgesprochen faszinierend, wie sie es seinerzeit verstanden, das Unterbewusstsein fuer die verschiedensten Erkenntnise zu nutzen, groesstenteils mit Hilfe halluzinogener Drogen wie Peyote, Mescalin und einem, aus der gleichen Pflanze wie Tequila gewonnenen, Saft namens ‚pulque‘. Auch halluzinogene Pilze spielten eine grosse Rolle und tuen das in indigenen Staemmen noch immer. Der Punkt, in dem sich die damalige Religion hauptsaechlich vom Christentum unterscheidet, ist, dass sie keine Hoelle kennt, sondern in ihren Goettern nur Gutes sieht, was mir reichlich sympathischer erscheint. Ich habe vor, mir noch mehr Ruinen alter Gebetsstaetten im Sueden des Landes anzuschauen, mein neues Wissen im Hinterkopf. Dieses hilft mir auch, das Mexico, wie es heute ist, zu verstehen, besonders die Mentalitaet der Mexikaner, falls es eine solche eine Mentalitaet ueberhaupt gibt.
Interessant ist, wie die Menschen, besonders auf dem Land noch immer an viele Mythen der alten Kulturen glauben, sie aber mit dem, von den Spaniern aufgezwungenen, Katholizismus vermischen. Alles in allem ergibt das ein, im Ansatz, aehnliches Bild wie in Indien. Jeder bastelt sich seine eigene Religion, glaubt an diese aber mit Inbrunst. Jedoch ist der Katholizismus vorherrschend und von ihm sind hauptsaechlich die schlechten Dinge uebriggeblieben, also jene, die den Menschen einschraenken, und die bei uns zum Glueck schon vor Jahren an Bedeutung verloren haben.
Wie auch immer, ueberkam mich bald ein starker Drang, das kleine Nest am Pazifik zu verlassen. Die alte kanadische Lady, die zwischen ihren wirren Saetzen oft minutenlang entrueckt mit ausdruckslosem Blick gen Westen starrte, waehrend der Peyote-Konsum wohl in ihrem Hirn seinen Tribut zollte sowie der offenbar selbst auferlegt taubstumme Wirt meiner ranzigen Kaschemme trieben mich in den Wahnsinn. Mir gegenueber wohnte ein junger Mexikaner, der in Flugzeuglautstaerke fast ausschliesslich Shaggy hoerte, was das sprichwoertliche Fass zum Ueberlaufen brachte!
Der einzig coole Mensch dort war Diego, ein 17-jaehriger Mexikaner mit ziemlich frischen Ideen, aber auch er konnte meine Flucht nicht vereiteln. Also wieder Stunden um Stunden durch die Sierra Madre, in Bussen, die schon bessere Tage gesehen hatten, mit Menschen, die offenbar nicht ihren besten Tag zu haben schienen! Meine Odysse endete in einem idyllischen kleinen Ort am Pazifik namens ‚Cuyutlan‘ und, wie ich bald feststellen sollte, in noch groesserer Einsamkeit. Dekadenterweise entschied ich mich fuer Vollpension in einem kleinen Hotel, was aber auch nicht teuer im herkoemmlichen Sinne war. Da ich immer das zu essen bestellte, was ich nicht kannte, lernte ich bald die einheimische Kueche kennen und schaetzen. Den Rest der Zeit verbrachte ich mit Musik, der Konversation – denn die war mittlerweile moeglich – mit Einheimischen und dem taeglichen Kampf gegen die phantastischen Wellen. Zwar wandte ich meine in Indien erworbenen Kenntnisse im Boogieboarden an, konnte aber einige grosse Schlucke aus dem salzigen Pazifik nicht verhindern. Ausser einer Handvoll Mexikaner war dort niemand und der Ozean gehoerte mir. Die Leute waren viel netter als in den Orten zuvor und ich glaube mittlerweile, dass sie sich schlicht nicht trauen, mich auf Englisch anzusprechen. Das muessen sie ja auch nicht, aber das wiederum wissen sie nicht. Mein T-Shirt mit dem Aufdruck „no soy un gringo“ ist in Arbeit!
Kurz verirrten sich zwei junge Krankenschwestern aus der Schweiz in meinen Ort und ich genoss, mal wieder fliessend, weil deutsch, sprechen zu koennen. Sie verschwanden jedoch ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren, denn sie wollen ganz Mexico in 3 Wochen sehen. Diviertense (Viel Spaß)!
Sprachkurs in Guadalajara
Am Samstag dann nahm ich den Bus Richtung Guadalajara und Zivilisation, wo sich alles aendern sollte. Segnora Carmen empfing mich mit offenen Armen und den besten Tacos, die ich bisher gegessen hatte. Dank einer Fehlplanung der Universitaet darf ich in ihrem riesigen Zimmer wohnen, und bin auch noch der einzige, der das Zimmer nicht teilen muss. Ausser mir wohnen im Haus noch drei Amerikanerinnen, ein Koreaner und ein Japaner, was auch ziemlich gut die Struktur der Nationalitaeten in den Sprachkursen repraesentiert.
Ich bin der einzige Deutsche an der ganzen Universidad Autonoma de Guadalajara, was meiner Sprachpraxis sehr zugute kommt. In unserem Haus herrscht eine unglaubliche Herzlichkeit und auch die Atmosphaere an der Uni ist sehr relaxt. Die Segnora kocht eine Koestlichkeit nach der anderen und macht Witze auf unsere Kosten, die wir nicht verstehen! Offenbar korrelieren in Mexico Schoenheit und Grad der Bildung in hohem Masse, denn nach langer Zeit der Duerre auf meinem Weg durch dieses schoene Land, gibt es an der Uni so viele bildhuebsche Frauen, dass es eine helle Freude ist!
Bisher habe ich die meiste Zeit mit 2 Japanern, Lin und Takeshi (der aus der Serie im Fernsehen), verbracht. Die beiden sind herrlich und der klitzekleine Takeshi referiert oft stundenlang in einwandfreiem Spanisch, aber mit japanischer Gestik und Intonation ueber die Geschichte Mexicos. Er weiss alles!
Mein Kurs ist einigermassen anspruchsvoll, aber das meiste lerne ich auf der Strasse. Soeben hatte ich meinen ersten Kurs ‚guitarra mexicana‘ und das erste Lied, das ich spielen kann, handelt bezeichnenderweise von Tequila und Mariachis, denn das ist, grob gesprochen, die Essenz des mexikanischen Lebens! Heute Abend werde ich meinen ersten Exkurs ins lokale Nachtleben wagen, natuerlich nur geschaeftlich im Auftrag von Aleksej versteht sich! Offenbar bezahlt man etwa 30 Mark Eintritt und dann ist alles umsonst, was fuer mich und auch fuer einige unter Euch, gelinde gesagt, verlockend klingt! Ich hoffe, wenigstens Ihr habt meinen Geburtstag gefeiert und ich hoffe vor allemsten, dass mich die Technik diesmal nicht im Stich laesst und Euch stattdessen an meinen Erlebnissen teilhaben laesst! Ich melde mich bald wieder, dann wohl auch mal persoenlich. Doch im Moment ist es mir, bei 35 Grad, ein wenig zu heiss, um noch laenger in der Kargheit dieser hochtechnologischen Lokalitaet zu verweilen. muchisimos saludos de aqui y que les vaya bien! marco
Teil 3
Obwohl ich nun schon seit gut 5 Wochen wieder im wolkigen, strandlosen Deutschland weile, dachte ich mir, daß ich doch noch mal meine Erlebnisse im fernen Zentralamerika zum Besten geben sollte und so schicke ich Euch meinen Bericht von vor drei Wochen, den ich nun endlich beendet habe. Zum einen, um den Besorgten unter Euch zu zeigen, dass ich die Reise tatsächlich unbeschadet überstanden habe, zum anderen zu Eurer, aber auch meiner eigenen Unterhaltung. Der Bericht ist etwas länger, daher würde ich empfehlen, ihn runterzuladen. Ihr könnt ihn dann in kleine leckere Rationen einteilen, oder, falls wichtigere Dinge Eure Zeit in Anspruch nehmen sollten, auch einfach löschen. Ich schicke ihn von nun an wöchentlich! Nein, das selbstverständlich will ich Euch ersparen… Ich hoffe aber, daß es mir gelingt, Euch wenigstens einen Teil von dem zu vermitteln, was ich in den letzten Monaten erlebt habe! Ich hoffe, es geht Euch allen gut! Muchos saludos, marco
Mein Schreibdrang wurde schon kurz nach meiner Ankunft in Guadalajara durch die Anforderungen der Uni und die Zeit, die meine sozialen Verpflichtungen in Anspruch nahmen, extrem gemindert. Ich genoß das Studentenleben mit 4 Stunden Kurs am Tag und massenweise Asiaten, die mit ihrer Art die Zeit schneller verfliegen ließen. In den Pausen spielten wir in einem bunten Nationalitätenmix Hackisack und verfolgten gespannt den studentischen Wahlkampf, der dort mit Dingen wie Tanzwettbewerben ausgetragen wird. In meiner Familie fühlte ich mich schnell zu Hause und die gemeinsamen Abendessen mit Winnie, Carrie und Sally aus den USA, Lin aus Japan, Antonio aus Korea sowie meiner äußerst gesprächigen Gastmutter Carmen nebst diversen Kindern waren jedes mal ein Riesenspaß. Ganz abgesehen von der hausgemachten ‚salsa‘, die uns allen den Schweiß auf die Stirn trieb, aber lediglich beim Frühstück fehlen durfte. Besonders hohen Unterhaltungswert hatte der koreanische ‚Antonio‘, der etwa 4 Worte Spanisch sprach, damit aber demnächst sein eigenes Geschäft in Guadalajara eröffnen will. Nicht zu erwähnen , daß er nach nur zwei Bieren regelmäßig anfing, GoGo zu tanzen und jede Bar wie den Blue Oyster Club aussehen ließ!
Guanajuato
Ein Wochenende verbrachte ich mit meinen neuen Freunden in Guanajuato, einer kleinen Kolonialstadt, die einst einen Großteil des weltweiten Silberbedarfs gedeckt hatte. Neben Häusern in allen Farben und mariachis an jeder Ecke war die Hauptattraktion hier das Mumienmuseum. Aufgrund einiger Bestandteile des Bodens und des Klimas verwesen die Menschen dort nicht richtig, und wer nach 7 Jahren unter der Erde noch durch die Gesichtskontrolle kommt, hat die Ehre, seine jämmerlichen Überreste Tag für Tag entsetzten Touristen zur Schau zu stellen. Daß bei Mumie Nr.127 der Rundgang endete, kam mir ganz gelegen, da mir bereits bei den Säuglings- und Embryo-(!) Mumien (Nr.34-41) etwas mulmig zumute geworden war. Selbst die Tatsache, daß ich soeben die kleinste Mumie der Welt gesehen hatte, konnte mich nicht in der Erkenntnis beirren, schon schönere Ausstellungen besucht zu haben.
Nach diesem Wochenende ging es rapide bergab, da Guadalajara bereits an die Grenzen seiner Unterhaltungsfähigkeit gestoßen war und ich dazu noch mein Herz verschenkt hatte an eine Frau, die das nicht zu schätzen wußte. Ich verbrachte die letzten Tage gramgebeugt, spielte traurige mexikanische Lieder, die ich in einem Kurs an der Uni gelernt hatte, und brachte meine Familie damit zum Tanzen und zum Weinen. Zwei Tage vor Ende meines Kurses tarnte ich mich als Japaner. Da mich meine japanischen Freunde als einen von ihnen akzeptierten und mir Schutz gewährten, konnte ich so mein Examen schon ein paar Tage früher machen und endlich verschwinden. Kaum hatte ich meinen Stift weggesteckt, war mein Rucksack auch schon gepackt und Balladen des Abschieds trällernd verließ ich rückwärts laufend und mit der freien Hand Abschiedsküsse um mich werfend die Zivilisation in Richtung Süden.
Oaxaca
16 Stunden Busfahrt später war nichts mehr wie es war, sondern endlich so, wie ich es mir eigentlich die ganze Zeit gewünscht hatte. Ich war in Oaxaca. Ich lernte einen Deutschen kennen und lauschte erstaunt den ersten deutschen Worten, die seit knapp 5 Wochen meinen Mund verliessen. Wir fanden die phantastische Herberge „Magic Hostel“ und der erste Abend in Freiheit setzte mir sogleich übel zu. Daß ich auf dem Dach des Hostels mit meiner Gitarre und einem völlig fertigen japanischen Multiinstrumentalisten im wahrsten Sinne des Wortes das Haus rockte, wurde mit einem nie versiegenden Bierfluß belohnt. Als der ‚jefe‘ mir das Weiterspielen wegen der Nachbarn verbot, war ich ihm außerordentlich dankbar, denn ich sah mittlerweile etwa zwei Gitarren und meine Entscheidungsunfreudigkeit ließ mich mehrmals zögern, auf welcher ich denn nun spielen sollte. Wir fanden unseren Weg in eine Bar, wo ich verhehrenderweise einen Mexikaner kennenlernte, der mir seinerseits Bier ausgab, und so tanzte ich schon bald avantgardistischste Tanzstile, lief barfuß in fremder Pisse rum und hatte einen Heidenspaß.
Nachdem mich das Management am nächsten Tag mit der Bitte weckte, auszuziehen, konnte ich das Schicksal doch noch wenden und verbrachte einen sehr schönen ‚día de independencia‘ (Unabhängigkeitstag) auf dem Hauptplatz von Oaxaca und später in, von betrunkenen alten Mexikanern gefüllten, Tanzbars. Alles war schon seit Wochen in den mexikanischen Nationalfarben festlich geschmückt und nun bewarf man sich mit Dingen, die dafür ausgelegt waren, auf den Klamotten ein immerwährendes Andenken an jenen Tag zu bewahren. Wir besorgten uns mit einem seltsamen Pulver gefüllte Eier und zielten auf mexikanische Hinterköpfe, was eventuell nicht politisch korrekt war. Das Highlight war die Ansprache des Bürgermeisters, denn jedes Wort von ihm wurde mit einem „Viva!“ aus der tobenden Menge quittiert. Das Feuerwerk war so lange schön, bis das Rathaus zu brennen anfing, was diese Wahnwitzigen jedoch nicht davon abhielt, weiterhin vorsintflutliche Geschosse in Richtung des begeisterten Publikums abzufeuern. Auch die Feuerwehrleute schienen Spaß zu haben und, wenn ich mich recht erinnere, waren sogar sie in den Farben der mexikanischen Flagge gekleidet!
Monte Alban
Am folgenden Tag besichtigte ich Monte Albán, eine Tempelruine wahrscheinlich derselben Kultur wie Teotihuacán (siehe Teil 1), was wieder sehr beeindruckend war. Zwischen den Ruinen der Pyramiden und kleineren Gebäuden wächst das Gras in einer Farbe, die ich noch nie gesehen habe, und verleiht dem Ort noch mehr Magie. Besonders interessant ist das, in verschiedenen alten mexikanischen Kulturen immer wiederkehrende, Ballspiel, das sog. „juego de pelota“. Man nimmt an, daß zwei verschiedene Teams einen schweren großen Hartgummiball in nur geringfügig größere Löcher in 5 Meter Höhe befördern mußte, was schier unmöglich erscheint. Sicher ist jedenfalls, daß das Gewinnerteam komplett geopfert wurde, so mit Herz rausreißen und allem, was dazu gehört, woraufhin dann die Familien der Spieler in einen höheren sozialen Stand aufstiegen. So erfüllte mich die Gewißheit, daß meine Grobmotorigkeit verhindern würde, daß ich jemals einen Ball einlochen würde, mit Genugtuung. Zu erwähnen sei noch, daß die Delikatesse in Oaxaca, auf die ich mich schon seit Wochen gefreut hatte, doch nicht so der Knaller war. Der Nachteil an frittierten Grillen, ‚chapulines‘ genannt, sind die kleinen Beine, die sich ständig in den Zähnen verfangen, und der leicht fischige Geschmack wurde zu sehr von Zitronensaft übertönt. Aufgrund dieser Geschmackserfahrung sparte ich mir Delikatesse Nr.2, frittierte Maden! Aber das Essen in einem ‚mercado‘, mit den verschiedensten Gerüchen zwischen den kleinen schmutzigen Ständen und den freundlichen dicken mexikanischen Köchinnen, wurde von da an zu einer Beschäftigung, der ich sehr gerne fröhnte.
Puerto Escondido
Die nächste Woche verbrachte ich mit Michal und Noa, zwei Mädels aus Israel, denen ich mich kurzerhand angeschlossen hatte, an der Westküste. Meine Versuche Hebräisch zu lernen waren nicht von großem Erfolg gekrönt, aber wir verstanden uns auch so blendend. Wir sahen uns zunächst ein paar Tage das Surferleben in Puerto Escondido an, zogen jedoch weiter, nachdem ich mein Leben kurz beim Versuch zu surfen auf’s Spiel gesetzt hatte. Der nächste Ort hieß Zipolite und war ein wahres Paradies. Das konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch hier die Wellen und Strömungen alles andere als ungefährlich waren, was wir schon aus dem idyllischen Namen unseres Strandes, „playa de los muertos“, Strand der Toten, herauslasen.
Trotzdem verbrachten wir hier ein paar wirklich coole Tage, zunächst mit Roger, einem Schweizer, dann mit Ian, einem sehr witzigen Engländer sowie ein paar Israelis und Deutschen. Außer dem stündlichen Kampf gegen die Wellen gab ich mich ganz dem Genuß der oaxakenischen Küche hin und ließ mich vom Chefkellner verarschen und von den kleinen sprechenden Papageien in die Finger beißen. Obwohl ich nun schon wochenlang geübt hatte, überzeugten meine mexikanischen Lieder den Kellner Bacho nicht genug, um mir mehr als ein paar trockene Tortillas zu schenken. Abends dann krochen die ganzen Freaks aus irgendwelchen Löchern, in die außer ihnen offenbar noch eine Menge großer Djembes und Bongos paßten. Im Schein der 60er-Jahre Bar „el alquemista“ trommelten sie sich in Trance die Finger blutig, während leicht bekleidete Frauen mit brennenden Bällen an Ketten eindrucksvolle Lichtbahnen in den Nachthimmel zauberten.
Canyón del sumidero
Nachdem ich die letzte Nacht an diesem so schönen Ort mit Kotzen verbracht hatte, was jedoch das einzige Problem auf der ganzen Reise bleiben sollte, zog ich mit Deville weiter, einem Israeli, der bereits seit einigen Jahren in Berlin lebt. Wir lernten Helen aus England kennen und folgten ihr auf eine Speedboat- Fahrt durch den „Canyón del sumidero“ mit Krokodilen und Affen in den am Ufer wachsenden Bäumen.
San Cristóbal de las Casas
Der nächste Ort hieß San Cristóbal de las Casas und liegt im sozial unruhigen Staat Chiapas. Da hier die Revolution, die den indigenen Völkern damals Freiheit und Besitz zurückgegeben hatte, nicht so wirklich stattgefunden hat, leben hier einige Menschen noch unter sehr ursprünglichen Bedingungen. Auch die Revolution der „Zapatistas“ unter dem berühmten Subcomandante Marcos Mitte der 90er konnte daran nicht viel ändern. Was sich geändert hat, ist die starke Militärpräsenz zur Abwehr neuer Aufstände, deren Nachteile ich eines Nachts auch in Form einer Leibesvisitation zu spüren bekam. Und das nur, weil ich den netten Uniformärschen nicht erklären konnte, warum ich nachts um 4 volltrunken an einer Straßenkreuzung stand!
An einem Tag machten wir eine Tour zu Pferd in ein abgelegenes Bergdorf, welche mich im Laufe der nächsten Woche zu einer Änderung meiner Sitzgewohnheiten zwang, zugleich aber auch eine ganz andere Sicht auf das Leben dort ermöglichte. In der Kirche des kleinen, armen und schmutzigen Dorfes herrschte eine mystische Stimmung mit hunderten von Kerzen, dazwischen Stroh und alte Frauen, die monotone, schräge Gesänge von sich gaben. Das interessanteste Ritual ist jedoch das Rülpsen, weshalb neben jeder betenden Person auch eine Flasche Cola und vor der Kirche schon ein LKW mit Nachschub steht. Sie beten, trinken kurz einen Schluck und rülpsen dann aus vollem Halse, da man dort glaubt, damit böse Geister vertreiben zu können!
Palenque
Nach einer weiteren schrecklichen Fahrt mit einem alten Bus über schlechte kurvige Straßen kamen wir im Dunkeln in Palenque an, das 2000 Meter tiefer und mitten im Dschungel liegt. Tapferen Mutes hängten wir im Schein einer kleinen Taschenlampe unsere Hängematten unter einem kleinen Strohdach auf, das sich auf einer kleinen Lichtung im Dschungel direkt bei den Ruinen befand. Weder konnte man sehen, wo genau man eigentlich schlief, noch, welche Lebewesen sich ebenfalls diese unsere Hütte ausgesucht hatten. Von überall kamen Geräusche, die ich noch nie gehört hatte und mit ein wenig Phantasie war man schnell im Glauben, von einer Löwenherde umgeben zu sein, was mich allerdings weniger störte als meine potentiellen achtbeinigen Mitbewohner. Ich mußte feststellen, daß ich nicht für eine Hängematte konzipiert bin, was mir aber die Gelegenheit gab, den tropischen Regen, der schon bald einsetzte, in verschiedenen Stadien der Dämmerung zu betrachten, was mit all den starken Gerüchen wirklich sehr beeindruckend war.
Wie auch immer, wir überlebten die Nacht und machten uns sogleich auf, die Maya-Ruinen von Palenque zu besichtigen. Anders als bei den anderen Ruinen Mexicos liegen die Pyramiden hier verteilt zwischen tropischen Bäumen, kleinen Bächen und wieder diesem hellen, mysteriösen Grün der Wiesen. Zum Teil von Moos überwachsen, zu einem kleinen Teil verfallen, kann man sofort die Magie des Ortes spüren und schwebt geradezu durch diese Anlage, die alle Sinne in Anspruch nimmt. Eine spezielle Art von Insekten schafft es, sich anzuhören wie eine Motorsäge, unglaublich! Leider konnte ich aber keines der Tiere zu Gesicht bekommen.
Die nächsten zwei Tage verbrachten Deville, Helen und ich in der kleinen Hippie-Siedlung „Rakshita’s“ unweit der Ruinen. Vegetarisches Essen vom Feinsten, indische Massagen und eine absolut friedliche Atmosphäre ließen uns von den großen Strapazen des Reisens erholen. Am letzten Abend nahm ich die Gitarre mit in ein nahegelegenes Restaurant und wir rockten die ganze Nacht. Zwei mexikanische Jungs spielten Reggae und mexikanische Lieder und, während die Bar schon lange geschlossen hatte und ein neuerlicher nächtlicher Regen eingesetzt hatte, blieb eine kleine Gruppe standhaft und feierte jedes einzelne Lied.
Chichén Itzá
Am nächsten Tag nahmen wir einen Nachtbus nach Chichén Itzá, der uns in aller Frühe mit unserem gesamten Gepäck direkt bei der wohl bekanntesten mexikanischen Maya-Stätte rauswarf. Chichén Itzá ist noch größer als die anderen Ruinen und die einzelnen Tempel sind auf eine weiläufigere Fläche verteilt. In der Mitte des Geländes thront eine große, beeindruckende Pyramide und am Ende eines Pfades durch den Wald findet man ein tiefes, dunkles Wasserloch, in das man damals die Jungfrauen geworfen hatte, nachdem man ihnen das Herz herausgeschnitten hatte, was man sich vor Ort bildlich vorstellen kann! Bevor die Massen amerikanischer Pauschaltouris aus Cancún einliefen, machten wir lieber schnell `nen Schuh und wurden nett in einem wirklich teuren Hotel aufgenommen. Für ein paar pesos konnten wir im Garten des Hotels in Hängematten schlafen und trotzdem den Pool mitbenutzen, an dem aufgrund der Nebensaison auch niemand sonst war. Nachdem der Tag so wie im Flug verging, machten wir uns ein zweites mal auf das Gelände der Ruinen und schauten uns nach Einbruch der Dunkelheit die ‚Luz y Sonido – Show‘ an. Die Pyramide und die Nebengebäude in buntes Licht getaucht direkt unter dem Vollmond waren ein wirklich beeindruckender Anblick. Sphärische Klänge aus versteckten Boxen verstärkten die mystische Atmosphäre.
Tulum
Nach einer versehentlichen Nacht in Playa del Carmen, einem schrecklichen Mallorca für Amis, kamen wir dann endlich im Paradies an, im karibischen Tulum. Weißer Sand, türkises Meer, eine kleine Bambushütte direkt am Strand und nur eine Handvoll Leute. Gleich der erste Abend war schon der Wahnsinn. Wir saßen, riesige Biere trinkend, im Sonnenuntergang auf einer Düne, abwechselnd spielten ein anderer Deutscher und ich später an der kleinen Bar Gitarre und, einem Tip des kleinen Kochs und Grasvercheckers folgend, machten wir uns dann auf in Richtung Vollmondparty. Solltet Ihr noch nie bei Tempo 90 zu neunt auf der Pritsche eines alten Pickups durch die Nacht gejagt sein und dabei zu der, den Verhältnissen entsprechend, schlecht gespielten Gitarre spanische Lieder gegen den Fahrtwind gesungen haben, möchte ich Euch das sehr ans Herz legen!
Es fiel uns schwer, unser Gefährt am Ziel zu verlassen, aber das Wiedersehen mit ein paar Australiern und Italienern, die ich an der Westküste kennengelernt hatte, trieb den Abend weiter in die richtige Richtung. Nachdem wir etwas getanzt hatten, nahmen wir die Gitarre und stiegen mit etwa 15 Leuten und ein paar streunenden Hunden in ein am Strand liegendes Fischerboot. Die Stimmung war unglaublich, das Boot schwankte, völlig dichte Australier mit kleinen Trommeln und schwedische Frauen mit grölenden Stimmen gesellten sich zu uns, während wir die Gitarre von einem zum anderen reichten und, selbstverständlich, nur Hits und keine Füller spielten. Gott weiß, wie ich von dort in mein, wegen der Skorpione, an Seilen befestigtes und so schwebendes Bett gelangte. Was für ein Fest!
Mit den anderen Alkleichen fuhren wir auf dem mittlerweile vertrauten Pickup am nächsten Tag zu den Ruinen von Tulum, die direkt am Strand liegen. Die wunderschöne Kulisse läßt das Meer noch türkiser erscheinen und es hat seine Bewunderer in Form von großen bunten Leguanen, die sich überall auf den Felsen sonnen.
Und wo ich gerade von Tieren spreche, muß ich das beste von allen erwähnen, „Rocky Racoon“, einen kleinen Waschbär, seines Zeichens Alkoholiker, mit dem ich fast meine ganze Zeit zwischen Schwimmen und Gitarre spielen verbrachte. Des Abends, wenn man auf kleinen Schaukeln an der Bar saß und aus großen, in den Palmen versteckten Boxen chilliger Musik lauschte, nutzte Rocky jeden Moment der Unachtsamkeit und trank so viel Bier, wie er in die Finger kriegen konnte. Ernsthafte Unterhaltungen mit ihm waren leider nicht möglich, denn er setzte Kommunikation mit Beißen gleich, wovon er allerdings nicht genug bekommen konnte. War er irgendwann besoffen, legten sie ihn unter die Bar!
Nun gut, noch in Alklaune, kauften wir am zweiten Tag diverse Flaschen Rum, um endlich mal richtig zu feiern! In einem Moment noch voller Enthusiasmus am Strand im Schein des Lagerfeuers meine Gitarre malträtierend, fand ich mich nur kurz später allein wieder, halb schlafend um einen schwarzen Hund gerollt, was mich dazu veranlaßte, mein Bett aufzusuchen. Das tolle am Rumrausch ist ja, daß meistens Dinge passieren, die anders nicht passiert wären, die aber in der Situation völlig normal scheinen! Als mich also ein paar Kolleeschen kurz später weckten, schlurfte ich pflichtbewußt zum Strand und spielte in Trance ein paar Evergreens vor einer ganzen Menge Leute, die wohl aus dem Nichts gekommen sein mussten! Mit dem endgültigen Aufwachen bemerkte ich meine Erschöpfung und temporäre musikalische Unzulänglichkeit und verabschiedete mich in nicht endenwollendem Applaus.
Die nächsten Tage waren entschieden ruhiger und der einzige Ausbruch aus der Strandlethargie war der tägliche Ausflug ins Dorf, um ,für `n Appel und `n Ei‘ Früchte zu kaufen, die unsere Geschmacksnerven vor Vergnügen jauchzen ließen, und ein paar Hühner beim Hühnergriller unseres Vertrauens zu vertilgen. Jedes Mal aufs Neue ein unbeschreibliches Festmahl, wenn er jeweils ein gegrilltes Huhn nebst Reis, Salat, Salsa und den allgegenwärtigen Tortillas auffuhr und wir wie die Tiere mit bloßen Händen darüber herfielen. Hühnerreste im Gesicht und an den Händen fuhren wir dann, die Haare im Wind wehend, in den Sonnenuntergang, uns gegenseitig auf der Pritsche anlächelnd und ohne Worte verstehend, daß alle glücklich waren.
Guatemala
Schweren Herzens verließen wir diesen Ort. Ich setzte mir Rocky ein letztes mal auf die Schulter und ließ mir, während er sich mit seinen Vorderfüßen in meinen Ohren festkrallte, noch mal ein paar Haare ausreißen. An der Grenze zu Belize trennten Deville und ich uns von Helen und setzten unsere Reise durch Belize nach Guatemala in einem kleinen Bus fort, in dem außer uns nur ein alter Ami mit haarsträubenden Geschichen und natürlich der helldrivende Busfahrer war, der die sechsstündige Tour mit den Worten „Ay dios, estoy cansado!“ („Hach Gottchen, was bin ich müde!“) eröffnete, was uns Mut schöpfen ließ.
Wir kauften Biere und machten aus den Zutaten, die wir sparsamerweise aus Tulum mitgenommen hatten, eine original mexikanische Guacamole im Bus. Während wir recht schnell über schlecht befestigte Straßen durch kleine Dörfer voller quirliger Menschen fuhren und die Sonne am Horizont in den schönsten Farben verschwand, dippten wir Nachos in Guacamole, tranken Bier und sogar der schlechte Euro-Dancefloor, der aus den geschundenenen Boxen krächzte, hatte etwas Romantisches. Noch im Halbschlaf passierten wir die Grenze Belize-Guatemala, was eine surreale Erfahrung war. Natürlich wollten sie Geld von uns und natürlich hatten wir kein Geld.
Damit ist es an der Zeit, ein paar Worte über meinen Reisepartner und mittlerweile Freund Deville zu verlieren. Denn tatsächlich schaffte er es, den Grenzbeamten davon zu überzeugen, unsere letzten DM anzunehmen und das a) ohne ein Wort Spanisch zu sprechen und b) ohne dass dieser Mensch jemals von unserer Währung gehört hatte! Phantastisch, aber zu diesem Zeitpunkt wunderte mich schon gar nichts mehr und ich hatte es bereits zu einem meiner Hobbies gemacht, Deville beim Feilschen zuzusehen, was ein imposantes Schauspiel war. Alles, was er sagen konnte, war ‚amigo‘ und ‚mucho‘, wovon er ausreichend Gebrauch machte, was ihm sein Pseudonym ‚Don Mucho‘ einbrachte. Wenn er gerade nicht am Feilschen war, zeichnete er Tempel und Pyramiden ab oder freute sich schlicht über die Größe seiner Hängematte, deren Auswahl und das Feilschen darum ihn mehrere Tage und uns einen Großteil unserer Nerven gekostet hatte!
Tical
Guatemala selbst schien mir auf Anhieb noch besser zu gefallen als Mexico. Die Leute waren netter, das Essen besser und vor allem war alles entschieden billiger. Leider blieben mir nurmehr drei Tage, um diese Vorzüge zu genießen. Hauptziel unserer Reise dorthin war Tical, die beeindruckendsten Maya-Ruinen überhaupt, wohin wir auch schon am nächsten Morgen starteten. Wir erkundeten das riesige Gelände, das auch mitten im Dschungel liegt, zusammen mit zwei Kanadiern. Der Anblick, der sich einem hier bot, war unglaublich. Besonders von der Pyramide der ‚mundo perdido‘, der verlorenen Welt, konnte man alle Eindrücke in sich aufsaugen. Zwischen den Gebäuden standen riesige Bäume, zum großen Teil Arten, die ich noch nie gesehen hatte. Lianen fielen von der Krone bis auf den lehmigen Boden, der von kleineren Gewächsen übersät war und auf dem sich ganze Scharen von Nasenbären tummelten. Bunte Tukane und Papageien flogen von Baum zu Baum und ab und an konnte man auch einen Brüllaffen beim Schwingen von Ast zu Ast beobachten.
Kurz vor Sonnenuntergang wurde die Stimmung noch magischer. Die Tiere reduzierten ihre Geräusche, als wollten sie dem Ende des Tages Respekt bekunden. Auf der einen Seite versank die Sonne zwischen majestätischen dunklen Wolken, während sich auf der anderen ein Regenbogen über den, hier und da aus dem satten Grün herausragenden, Ruinen erstreckte. Wir saßen auf der Pyramide und keiner sagte ein Wort. Man fühlte sich, noch mehr als den ganzen Tag über schon, wie hermetisch von der Welt abgeriegelt und die Stimmung, die über uns lag, könnte man wohl als heilig bezeichnen.
Im Halbdunkel liefen wir noch einmal durch die Nebengebäude und kehrten schließlich in einem kleinen ‚comedor‘ (Restaurant) ein. Hierzulande vergißt man völlig, was für ein starkes Erlebnis essen sein kann, wenn man wirklich Hunger hat. Nachdem der freundliche Mann uns Berge leckeren Essens aufgetischt hatte, begann das eigentliche Abenteuer. Gegen 22 Uhr schlichen wir uns, nur mit dem Nötigsten ausgerüstet zurück in die Tempelanlage. Es war so dunkel, daß man kaum seine Hand vor Augen sehen konnte, wir durften unsere Taschenlampe allerdings nur sparsam gebrauchen, damit uns kein Wärter überraschte. Wir verliefen uns und es fing an zu regnen, während um uns herum Tausende von Grillen einen Höllenlärm machten. Wir versuchten, nicht an die Jaguare zu denken, die es dort tatsächlich noch gibt, und kamen nach über einer Stunde schweißüberströmt, aber mit einem sehr intensiven Gefühl auf dem Gipfel von Tempel IV an, dem höchsten, alles überschauenden Bauwerk, wo wir mit ein paar Decken unser Nachtlager errichteten. Die Geräusche der Tiere, besonders der Brüllaffen, waren unbeschreiblich und die Nacht war durchzogen von Träumen und Visionen. Obwohl die Sonne am nächsten Morgen gegen ein paar Wolken zu kämpfen hatte, war das Gefühl, inmitten all dieser Tiere zu erwachen der Wahnsinn und wir redeten mit leisen Stimmen, um dem Ort und dem Moment zu huldigen.
Noch am selben Tag trennten Deville und ich uns, da er die Strecke nach Mexico-City in einer 25-stündigen Bustour bewältigen wollte, was mir nicht besonders reizvoll erschien. Ich nahm einen Nachtbus nach Guatemala-City, da man mir gesagt hatte, die Flüge von dort seien preiswert. Ich mußte schnell erkennen, daß das ein absoluter Irrtum war, hatte aber nun keine Wahl mehr. Ich streifte einen ganzen Tag durch Märkte, um noch schöne Andenken zu kaufen und noch mal das alltägliche Leben zu beobachten, was mir in so fremden Städten immer besonders viel Spaß macht. Dann machte ich mich auf die Heimreise, die 32 Stunden dauern sollte, da ich über San Salvador, Mexico-City und Washington nach Frankfurt flog. In Mexico-City mußte ich 12 Stunden warten und mein Geld reichte gerade noch, um mein Gepäck nebst einem guatemaltekischen Tisch in ein Schließfach zu packen. So mußte ich, meine Gitarre an mich gebunden, durstig in der Wartehalle schlafen und hungern, bis das Frühstück im Flugzeug mich erlöste.
Mein letzter Eindruck dieser Reise war witzigerweise so ziemlich gleich meinem ersten, denn der beknackteste aller Flugbegleiter war wieder mit an Bord. Ich tat, als sei ich Mexikaner und sprach so schnell Spanisch, daß er mich nicht verstand.
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