Im August 2017 wurde mit dem Great Trail der längste Fernwanderweg der Welt eröffnet. Neun kanadische Provinzen und Territorien sind involviert, auf über 24.000 Kilometern kann man von nun an zwischen allen drei Küsten Kanadas hin- und herwandern!
Ich kam in den Genuss, Teilstücke des Great Trail ganz im Westen sowie ganz im Osten Kanadas zu besuchen und mit ein paar Leuten vor Ort über den ‚Großen Pfad‘ zu sprechen: Yukon und Ontario. Alle meine Tipps zum Yukon findet Ihr übrigens hier.
Mehr Infos zum Great Trail mit ausführlichen Karten und Apps: thegreattrail.ca
Vieles in Kanada dreht sich ums Draußensein, um Aktivitäten in der Natur und um die Wildnis mit all ihren tierischen Bewohnern. Denn unberührte Wildnis gibt es im nordamerikanischen Land wahrlich genug! Mein Sitznachbar im Flugzeug etwa erzählte mir von einem Kanutrip mit Freunden, bei dem sie 15 Tage lang nicht einen einzigen Ort passiert und nicht eine Menschenseele getroffen haben. Wo in Europa könnte man eine solche Einsamkeit erleben?
Diese Unberührtheit und die wilde, ungezähmte Natur sind für viele Reisende Hauptmotivation für einen Trip nach Kanada. Es geht ihnen um Rückbesinnung auf die wichtigen Dinge und das archaische Überleben in der Natur. Mein Reisegefährte Ole Helmhausen (Out of Canada) weiß nach zwei Jahrzehnten in Kanada selbst um die Faszination des ursprünglichen Lebens: „All Deine Sinne intensivieren sich in der Wildnis. Plötzlich kannst Du sogar den Staub unter Deinen Füssen hören!“
Der Great Trail passt gut rein in dieses Bild Kanadas. Der Zusammenschluss aus bereits seit langen Jahren existierenden sowie einigen neu geschaffenen Pfaden war schon lange geplant. Es brauchte jedoch erst ein paar Jahre Arbeit sowie einige Finanzspritzen von staatlicher Seite und privaten Spendern, um dieses Megaprojekt letztendlich zu verwirklichen. Nicht ganz zufällig fällt die Eröffnung des Great Trail mit dem 150-jährigen Jubiläum des Landes zusammen.
Wildnis für Aussteiger: Der Great Trail im Yukon
Einer jener Menschen, die sich Zeit ihres Lebens für den Great Trail eingesetzt haben, ist Peter Greenlaw aus Whitehorse im Yukon, der die Eröffnung leider jedoch nicht mehr miterleben kann. Wir treffen uns mit seiner Witwe Deb, die ihre eigene Begeisterung über die kanadische Natur gar nicht erst in Worte fassen muss. Sie zeigt uns einfach erst mal ein paar Fotos zweier Grizzlies, die sie tags zuvor beim Angeln gemacht hat. Die beeindruckenden Bären fangen keinen Steinwurf von den Anglern entfernt in aller Ruhe ihre eigenen Fische. „Und bei jedem Wurf unserer Angel war ein Lachs dran!“, strahlt sie.
Deb hat ihren Mann Peter von Anfang an bei der Organisation des Great Trail unterstützt. So ist sie etwa schon 1998 mit einem Schneemobil von Küste zu Küste gefahren, 43 lange Tage durch Eis und Schnee. Seinerzeit dabei: Ein Repräsentant jedes kanadischen Territoriums, eine Durchquerung des Landes mit symbolischem Charakter. Nicht von ungefähr wählte man Schneemobile, denn das Reisen auf diesen Fahrzeugen ist in Kanada ein sehr beliebter Sport und der Great Trail ist nicht zuletzt auch hierfür gedacht. Das Ziel war jedoch schon damals, unterschiedliche Organisationen zusammenzubringen, um den Great Trail Wirklichkeit werden zu lassen: Schneemobilfahrer, Hundeschlittenlenker, Wanderer, Mountainbiker, Reiter, …
Damals konnten Deb und Peter noch nicht ahnen, dass der Great Trail erst im Jahre 2017 fertiggestellt werden würde, hatten sie die Idee doch schon in den frühen 90er Jahren entwickelt. Doch Bedauern sucht man bei Deb Greenlaw vergeblich: „Im Rückblick sind unsere Bestrebungen für den Great Trail das Beste, was wir je gemacht haben. Denn dieser Weg verbindet Kanada in vielerlei Hinsicht.“
Viel Freiwilligenarbeit war bis zur finalen Eröffnung des Great Trail nötig, viele Interessen mussten berücksichtigt werden, besonders etwa auch jene der Ureinwohner Kanadas, hierzulande First Nations genannt. Große Teilstücke des Great Trail führen durch ihre Territorien, viele Kilometer des Wanderweges wurden schon vor hunderten von Jahren von ihren Vorfahren in die Büsche geschlagen. „In einer so abgelegenen Gegend zu wohnen, bringt Deine wahre Persönlichkeit zum Vorschein“, fasst Deb ihre Begeisterung für die Wildnis abschließend noch mal zusammen.
Sie verabschiedet sich von uns mit einer Einladung, doch im Winter noch mal vorbeizuschauen. Und tatsächlich klingt eine Schneemobiltour durch den Yukon, bei der die Kettenfahrzeuge im Keller der Lodges geparkt und die Sitze über Nacht beheizt werden, sehr verlockend.
Der Yukon ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie wild und menschenleer Kanada vielerorts ist. Nur wenige Kilometer von Whitehorse entfaltet sich Kanada in seiner ganzen Ursprünglichkeit. Es ist diese Wildheit, die auf viele Menschen eine große Faszination ausübt. Reisende aus aller Welt kommen hierher, verlieben sich in die Natur und bleiben einfach für immer. In vielen Hütten in den Wäldern rund um Whitehorse finden sich Aussteiger aus Deutschland und der Schweiz. Auch die Schweizerin Andrea Altherr kam, sah und blieb im Yukon. Seit 17 Jahren nennt sie ihn ihr Zuhause und begleitet Touristen auf geführten Wandertouren.
Bei unserer Wanderung mit ihr entlang des Sam McGee Trails dauert es wieder nicht lange, bevor uns die wilde Natur anschaulich vor Augen geführt wird. An einem Baum unweit der Straße entdecken wir Tatzenabdrücke eines Schwarzbären. Gut, dass Andrea ihr Bärenspary dabei hat! Bären hin oder her: „Diesen entspannten Lifestyle findet man wirklich nur hier inmitten der Wildnis.“, versichert sie uns.
Auch Armin und Mandy Johnson von Yukon Horsepacking Adventures leben den Wildnis-Traum. Mit vier Kindern, knapp 20 Pferden und über 30 Schlittenhunden wohnen sie völlig abgeschieden mitten in der Natur und wirken dabei sehr glücklich. Mandy erzählt mit Begeisterung vom selbstangebauten Gemüse im Vorgarten und von ihrer großen Leidenschaft, dem Schlittenhunderennen. Armin wirkt ausgeglichen wie ein Zen-Meister und hat zu jedem kleinen Pfad eine Geschichte aus alten Zeiten parat.
Doug Hnatiuk von der Stadtverwaltung Whitehorse blickt auf lange Jahre Arbeit am Great Trail zurück und kann einen gewissen Stolz nicht verbergen. „Das Ziel war es, Menschen zu ermöglichen, von einer Seite des Landes zur anderen zu laufen.“ Und mindestens eine Frau habe das auch bereits getan. Ganze zwei Jahre hat sie dafür gebraucht! 25 Jahre hat es gedauert, bis die einzelnen Pfade verbunden waren. Brücken mussten gebaut, viele Gespräche mit lokalen Regierungen geführt werden. Doug ist wichtig, dass durch den Trail auch der Yukon etwas näher herangerückt ist an den Rest Kanadas. Denn auch er ist ein großer Fan dieser Region und hat eine einfache Erklärung dafür: „Die Menschen kommen in den Yukon, um die Verbindung mit der Natur zu zelebrieren.“ Spricht’s, zieht sich die Outdoorjacke zu und verschwindet grinsend im Nieselregen.
Im MacBride Museum in Whitehorse wird klar, dass die Idee eines Weges quer durchs wilde Kanada keine ganz neue ist. Eine Sonderausstellung zeigt hier die Strapazen beim Bau des Alaskan Highways, heute auf weiten Strecken ebenfalls Teil des Great Trails. Die Motivation war freilich damals eine andere: Der Alaskan Highway wurde während des zweiten Weltkrieges in kürzester Zeit von den US-Amerikanern durch die Natur getrieben, um Truppen in Alaska stationieren zu können.
Marc Daniels von der Klondike Snowmobile Association bestätigt: „There’s a lot of wilderness out here.“ Genau das mache die Pflege des Wegenetzes aber zu einer besonderen Herausforderung. Geringe Bevölkerung und lange Wege haben eine vergleichsweise seltene Benutzung vieler Pfade zur Folge. Und so kann man mit der Entfernung der Pflanzen eigentlich gleich wieder von vorne beginnen, sobald man einmal damit durch ist. Seine Organisation kümmert sich um knapp 600 Kilometer Wegenetz. Dimensionen, die für den Mitteleuropäer schwer zu begreifen sind.
Marc erläutert uns die sechs wichtigsten Nutzungsarten des Great Trail: schneemobilfahren, wandern, reiten, Fahrrad fahren, paddeln und Langlaufski. Der Great Trail ist hierbei die Wirbelsäule des Wegesystems, von der viele weitere Trails abgehen. Und ja, knapp 25% des Trails befinden sich auf dem Wasser.
Selbst der Pilot unseres Wasserflugzeuges, mit dem wir über die von frischem Schnee bedeckten Bergspitzen nördlich von Whitehorse fliegen, kann sich gar nicht beruhigen über die Schönheit und Wildheit der Natur hier. Andrew Swanson freut sich über die Sichtung jeder einzelnen Bergziege, und das, obwohl er seine 70 Jahre alte Beaver hier fast täglich entlangsteuert.
Ähnlich euphorisch lernen wir Dave, unsern Kanu-Guide kennen, der erst seit dreieinhalb Jahren im Yukon lebt, aber sich mittlerweile kein anderes Leben mehr vorstellen kann. Während er auf der Egg Island im Yukon River Holz für ein Lagerfeuer zerkleinert, sagt er: „Ich mag die Wildnis, weil man hier für sich selbst sorgen muss.“
Wildnis für Städter: der Great Trail in Ottawa
Ein völlig anderes Ambiente als der Yukon versprüht der zweite Stopp meines kurzen Kanada-Trips. Nach einigen Stunden Flug von Küste zu Küste finden wir uns in Ontarios Hauptstadt Ottawa wieder, wo es zwar deutlich wärmer, aber auch deutlich hektischer ist. Ottawa ist eine moderne Stadt mit Hochhäusern, überraschend hügelig und voller viktorianischer Gebäude.
Hier zelebriert man die Wildnis auf etwas andere Art und Weise. Sobald der Winter kommt etwa, eröffnet hier die größte Eislaufbahn der Welt, denn der ganze Fluss wird als solche genutzt. So sieht man hier nicht selten Geschäftsmänner den Weg zur Arbeit auf Schlittschuhen zurücklegen, die Brieftasche unter den Arm geklemmt.
Was man in Ottawa nicht sofort glauben kann: Ontario ist tatsächlich jene kanadische Region mit dem größten Anteil am Great Trail. Mehr als 5200 Kilometer des Weges führen durch die östliche Provinz.
Auf einer Fahrradtour erkunden wir zunächst das Stadtzentrum mit den beeindruckenden Parlamentsgebäuden. Doch nur wenige Kilometer weiter stehen wir plötzlich wieder auf dem Great Trail. Und jetzt kann ich wirklich und wahrhaftig die Verbindung herstellen. Würden wir hier weiterradeln, wären wir nach einigen Wochen wieder im wilden Yukon – eine verlockende Vorstellung!
Unser Besuch vor Ort wird gekrönt von der großen Feier zur Eröffnung des Great Trail im Major’s Park auf dem Hügel. Kinder messen sich bei Wurfspielen, Repräsentanten der First Nations demonstrieren ihre Lebensart, Food Trucks brutzeln Snacks und auf der Bühne geben sich Musiker und Prominente die Klinke in die Hand. Die Sonne strahlt und jeder der Geladenen am Mikrofon hat etwas Positives über den Great Trail loszuwerden. Cody Coyote etwa, der Rapper mit indianischen Wurzeln verkündet fast poetisch: „Across this country, this trail leads us.“ Im Hintergrund weht dazu die kanadische Flagge und man ist plötzlich fast selbst ein bißchen stolz auf den Great Trail.
„Dieser Weg ist ein Geschenk – von Kanadiern, an Kanadier.“ So fasst es Fernsehmoderatorin Valerie Pringle zusammen und wieder klatscht die Besucherschar des Festes frenetisch.
Sichtlich gerührt bemerkt der Ex-Sänger der Barenaked Ladies, Steven Page: „Der Great Trail ist nicht nur ein symbolisches Ding. Er ist ein Weg, auf dem alle kanadischen Kulturen zusammenkommen können. Noch dazu ist er ein physischer Ort für viele Arten von Hobbies.“
Spätestens jetzt wird mir klar, was für einen großen Stellenwert der Great Trail einnimmt. Er verbindet auf vielerlei Art – physisch, kulturell, sportlich. Bei einem Land, so riesig und wild wie Kanada, ist das tatsächlich etwas, worauf man ein wenig stolz sein kann.
Meine Bloggerfreunde erkundeten den Great Trail an ganz anderen Stellen im Land, wodurch noch ein viel kompletteres Bild des Wanderweges entsteht:
- Katrin von Viel Unterwegs erkundete British Columbia
- Steve von Backpacker.org war in Quebec unterwegs
- Caro von Lotsafreshair ist auf dem Confederation Trail geradelt
- Caro und Martin von We travel the world haben Ottawa unsicher gemacht
- Und Ole von Out of Canada hat sich gleich den gesamten Trail vorgenommen!
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Super schöner Artikel und geniales Video :)! Kanada ist echt immer noch eines der am unterschätztesten Reiseländer überhaupt. Das Ausmaß an unberührter Natur ist wirklich einmalig. Lese mich jetzt mal durch ein paar deiner weiteren Artikel, super Seite!
LG, Henning von weltreise.jetzt
Vielen Dank für Dein Lob, Henning! Freut mich sehr!
Wahnsinnig tolle Bilder! Kanada ist so ein schönes Land. Ist definitiv ganz oben auf meiner Reise-Bucket-List, zusammen mit Japan und Australien.
Danke, Eli!
Ja, Kanada haut einen echt jedes Mal wieder um. Ein Land wie kein zweites!
Hallo Marco! Danke für diesen Artikel über Great Trail, die Wildnis Kanadas. Nordamerika ist wirklich ein Traumreiseziel. Macht weiter so und teilt eure Reiseerfahrungen.
Danke für diesen Artikel über deinen Great Trail Trip in Kanada. Die Bilder sind wirklich einladend. Nordamerika ist wirklich ein Traumreiseziel. Danke für die Reiseinspiration und viel Erfolg auf Reisen.