Sanook in Südostasien

Mönche in Thailand

Aus dem Archiv: Die Erlebnisse während meiner ersten Monate in Südostasien, anno 2004.

Thailand

Die Bedeutung von Sanook

In Thai bedeutet Sanook in etwa Spass, und stellt eine Messlatte dar, nach der jede Aktivitaet in Thailand gemessen wird. Macht etwas keinen Sanook, so haben die Thais auch keine Lust, es zu tun. Sie schaffen es jedoch, aus fast jeder Taetigkeit ein wenig Spass herauszuschlagen, beispielsweise mit kleinen Plauschs mit Freunden und dem Essen kleiner Snacks. Nur so kann man erklaeren, warum es viele Leute hier schaffen, trotz dieser angenehmen Spassphilosophie mitunter 14 Stunden am Tag zu arbeiten, und dabei stets ihre gute Laune und das Laecheln im Gesicht zu bewahren.



Bangkok

Ich brauchte fast fuenf Tage, um meinen Jetlag zu ueberwinden, was ich erstaunlich fand. Staendig wurde aus einem halbstuendigen Nickerchen am Nachmittag ein 6-Stunden-Schlaf, was mich des Nachts natuerlich dann kein Auge zu tun liess. Was blieb mir also uebrig, als mich geradewegs ins neonbeleuchtete Nachtleben Bangkoks zu stuerzen? 

Ich tanzte in Kellerbars, ass fritierte Grashuepfer und Maden auf der legendaeren Khaosan Road, nippte an guenstigen Long Island Ice Teas in der etwas ruhigeren, und doch ebenfalls pulsierenden Gasse Rambutri, die ich zu meinem Zuhause gemacht hatte, und freundete mich mal hier, mal dort mit anderen Touristen mit roten Koepfen, verschwitzten T-Shirts und dunklen Augenringen an. Gegen diese feuchte Hitze war Mittelamerika geradezu mild gewesen.

Der Unterschied zu den letzten Monaten war auch in anderer Hinsicht frappierend. Die Tatsache, dass es hier unglaublich viel mehr Touristen gab, drueckte sich in unzaehligen Strassenlaeden aus. Man konnte alles kaufen, und ich kaufte alles. Buecher, Shirts, Lautsprecher fuer meinen Discman, die neuesten CDs raubkopiert mit Cover und allem. Bangkok frass mich foermlich auf. In jedem dritten Hotel zeigte man die neuesten Filme, die durchreisende Meute schien nie zu schlafen. Hunde trugen T-Shirts mit FBI-Logos und pakistanische Schneider lieferten einem bei jedem Spaziergang neue Argumente, warum man unbedingt einen nachgemachten Armani-Anzug kaufen muesse. Mit die einzigen Dinge, die sich nicht von den mittelamerikanischen Laendern unterschieden, waren Wasserhaehne, die sich beim Wasserabdrehen mitdrehten, und die staendig und ueberall praesenten Paarungsrufe der graubraunen Eidechsen an Waenden und Decken, dieser dank ihres grossen Appetits auf Moskitos stets willkommenen Gaeste.

Ich probierte an jeder Ecke neue Speisen, und alles, aber auch alles schmeckte fantastisch und versoehnte meinen nach Geschmack duerstenden Gaumen. Schon bald hatte ich jedoch einen kleinen Stand nahe meines Hotels, der mich mit Gerichten fuer etwa 50 Cent und einer guten Perspektive fuer die Beobachtung dieser fuer mich neuen Spezies des gemeinen Thailand-Urlaubers ueberzeugte, ihn zu meinem Stammlokal zu machen.



Hatte ich schon am ersten Abend mit zwei Thais auf der Strasse gesungen, wollte ich es nun wirklich wissen, nahm meine Gitarre unter den Arm und spielte mitten in der ueberdrehten Khason Road auf. Schon bald waren wir zu viert mit drei Gitarren und scharten eine gewaltige Menge Begeisterter um uns. Die Leute warfen Muenzen und klatschten, waehrend mich meine thailaendischen Mitspieler immer wieder zu einer Zugabe von La Bamba aufforderten, in das sie sich ganz offensichtlich unsterblich verliebt hatten. Irgendwann verliessen mich meine neuen Bandkollegen mit allem eingenommenen Geld, was ich jedoch OK fand, da in Thailand eh nichts etwas kostet. Ich aber hoerte erst auf zu spielen, als mir ein Polizist mit Handschellen wedelnd eine Nacht im Bangkoker Knast versprach, sollte ich meine Stimmbaender nicht auf der Stelle unter Kontrolle bringen. An den Buchstaenden hatte ich mehrere Buecher ueber Aufenthalte in asiatischen Gefaengnissen gesehen und wusste daher, dass das nicht unbedingt die Art war, wie ich diesen praechtigen Abend beenden wollte und so suchte ich laechelnd und meine Haende im Thai-Gruss ‚Wai‘ vor dem Gesicht faltend das Weite.

Nicht weit von meiner selbst gewaehlten Buehne sprach mich der Koch aus meinem Lieblingsimbiss an, der zugleich Agent einer Modelagentur und Makeup-Kuenstler ist, wie ich tags drauf erfahren sollte. Ich verstand nicht richtig, was er wollte, traf mich jedoch am naechsten Tag mit ihm zum vereinbarten Zeitpunkt und fand mich schon bald darauf mit ein paar anderen westlichen Typen bei einem Casting fuer einen Pringles-Werbespot wieder. Ehe ich mich versah, stand ich vor einer Kamera und musste wie ein Hamster an einem Chip nach dem anderen knabbern, war also voll in meinem Element. Man entliess uns mit der Aussicht auf ein sattes Gehalt im Falle einer Anstellung und auf eine Wartezeit von mehreren Wochen.

Nach einer Woche hatte ich alles gekauft, was ich nicht brauchte, und zudem den Grand Palace sowie das beeindruckende Wat Pho besichtigt, den Fluss Chao Phraya befahren, einem langweiligen Thaiboxkampf beigewohnt und genuegend neue Filme gesehen, um guten Gewissens abreisen zu koennen. Am Abend zuvor hatte mir zudem ein Obdachloser einen Plastikstuhl hinterhergetreten, der nur wenige Zentimeter hinter mir gelandet war, was ich nicht fuer die feine Englische hielt, und meinen Ortswechsel zu befuerworten schien.

Mein Ziel war Ko Panghan, ebenfalls legendaer, wie heutzutage ja leider fast alles in Thailand. Ich hoffte, dort weniger alte fette Maenner in zu kurzen Hosen zu sehen, die sich benahmen, als sei die huebsche, gerade so volljaehrige thailaendische Schoenheit an ihrer Seite nicht nur wegen des Geldes bei ihnen. In dieser Hinsicht stimmt fast jedes Klischee und man muss sich allerorten mit diesem unschoenen Anblick auseinandersetzen. Das einzig Beruhigende war die Einsicht, dass es sich bei diesen Typen nicht nur um Deutsche handelt, sondern fast jedes Land seinen Teil zu diesem abstossenden Bild beisteuert.

Ko Phangan

Schon unterwegs lernte ich den Schweden Max kennen und wir beschlossen, uns einen Bungalow zu teilen, da es die Preise wegen der bevorstehenden Full Moon Party und der Tatsache, dass bald Weihnachten und Sylvester war, ohnehin schon in sich hatten. Wir zogen im ‚Two Rocks‘ ein, direkt am Strand gelegen und voll von Englaendern, die ganz offensichtlich noch kein eines mal auch nur einen Fuss vor die Tore des Gelaendes gesetzt hatten. Einer nach dem anderen fiel morgens gegen elf voellig verquollen aus seiner Haengematte und benutzte die letzten uebrig gebliebenen Hirnkapazitaeten einzig dazu, sich an den Weg zum Kuehlschrank zu erinnern, um aus diesem nie versiegenden Quell kleiner importierter Bierdosen sodann das vermeintliche Gegengift fuer den mit Sicherheit gewaltigen Kater des letzten Abends zu holen.

Auf meinem Moped Nr. 14 cruiste ich ueber die Insel und besuchte einen der wundervollen Straende nach dem anderen. Die Strassen endeten zum Teil in staubigen Feldwegen, die von metertiefen Furchen durchzogen wurden; das alles bei beachtlichen Steigungen, da die Insel recht bergig ist. Ich verlangte meiner kleinen Honda ‚Wave‘, ganz offensichtlich ein Alltime-Klassiker in Thailand, alles ab. Sie dankte es mir mit einem fuer ihren Anblick erstaunlich gefaehrlich wirkenden Brummen. Kein eines mal musste ich mit meinen Fuessen, Knien oder meinem Gesicht bremsen. Die Bandagen an etwa jedem sechsten Menschen, dem man auf der Insel begegnet, zeigten mir, dass andere in dieser Hinsicht weniger Glueck gehabt hatten.

Der erste Abend in Had Rin, dem Südzipfel der Insel, dessen beide Seiten einen Strand haben, der von Bars und Clubs uebersaet ist, endete sogleich ziemlich wild. Weiter oben erwaehntes Getraenk, lakonisch ‚Bucket‘ genannt, hatte es in sich. Bereits etwa nach dem dritten kleinen Plastikeimerchen mit Strohhalmen liess ich mir von unansehnlichen Hunden mit vorstehenden Unterkiefern die Ohren ablutschen, waehrend Max bereits mit dem ein duemmliches Grinsen darbietenden Gesicht im Sand schlief, und Luke, unser englischer Komplize laengst expressionistisch tanzend in der wogenden Masse menschlicher Leiber verschwunden war.

Die Ereignisse ueberstuerzten sich, und ehe ich es mich versah, war es bereits gegen sieben Uhr morgens, der Strand leer und meine Schuhe verschwunden. Der Red Bull liess mich glauben, ich sei nicht erschoepft, und ich konnte mit meinen pochenden Ohren einen Beat ausmachen, der nicht allzu weit entfernt schien. Da ich eh gerade nichts besseres zu tun hatte, beschloss ich, am Strand in Richtung der Musik zu laufen, die zugleich Richtung unseres Bungalows war. Das ganze aus o.g. Grund natuerlich barfuss. Was ich nicht geahnt hatte war, dass der Strand an einigen Stellen schlicht nicht existent war. Zum Aendern des Plans war es zu diesem Zeitpunkt jedoch zu spaet, da die Huegel direkt vom Wasser steil nach oben verliefen und es weder Haeuser noch Wege zu geben schien. Ich lief also im Wasser, mitunter bis zum Hals, zu faul, mich meiner Kleidungsstuecke zu entledigen. Wohin haette ich sie auch tun sollen? 

Nach etwa einer Stunde fand ich mich auf einem glitschigen Felsen gefangen. Keine Ahnung, wie ich drauf gekommen war, es gab zumindest weder vor noch zurueck, und rundherum nichts ausser Meer. Waehrend ich noch so ueberlegte, wie ich aus diesem Dilemma wohl rauskaeme – die Moeglichkeit einer kleinen Siesta ernsthaft in Erwaegung ziehend – verlor ich urploetzlich meinen Halt und rutschte den ganzen Weg nach unten auf meinem Arsch. Was ich auch nicht gewusst hatte war, dass die Felsen scharf wie Rasiermesser waren und so war ich verblüfft ueber meine Wunden an Haenden, Beinen und Fuessen. Doch es galt weiterzulaufen. 

Nach etwa zwei Stunden erreichte ich – nun wenigstens endlich erschoepft – die Party, deren Musik ich gehoert hatte. Ich hatte wohl eine Distanz von etwa vier Kilometern zurueckgelegt, wie ich feststellen musste. Blutig, nass und mit zerrissenen Hosen gruesste ich die Raver mit meiner letzten Kraft und einem offenbar wahnwitzigen Gesichtsausdruck. Der Ausdruck in den ihrigen versicherte mir sogleich vollends, dass ich wohl jetzt lieber schlafen sollte, vielleicht fuer eine laengere Zeit und genau das tat ich dann auch.

Die naechsten Tage waren faul und von Sonne und Meer bestimmt. Buecher kamen und gingen, Volleybaelle wurden geschmettert und in angrenzende Hotelanlagen geschossen, und meine Gitarre klang gut wie eh und je. Weihnachten verbrachte ich fast komplett auf der Toilette, was ich auf einen oesterreichischen Koch schiebe, ohne oesterreichische Kochkuenste hier jedoch im Generellen angreifen zu wollen.

Tsunami

Am Tag des Tsunami versammelten sich alle in den Bungalows Anwesenden nachmittags vor dem Fernseher, als die ersten Nachrichten ausgestrahlt wurden. Zu diesem Zeitpunkt ahnte jedoch noch niemand das Ausmass des Ungluecks, und so wurde der Fernseher gegen Abend ausgeschaltet und die Vorbereitungen fuer unsere der Full Moon Party vorangehenden Aufwaermparty nahmen ihren Lauf. Auf dem kleinen Streifen Strand wurde ein ueppiges Bueffet aus Meeresfruechten und anderen Leckereien aufgebaut und wir schlugen uns die Baeuche voll. Neben uns jonglierten ein paar Leute mit brennenden Stangen und andere wedelten mit ihren flammenden Feuer-Pois durch den Nachthimmel.

Dann bestiegen wir einen Pickup, der uns auf ein Neues nach Had Rin brachte, das an diesem Abend aus seinen Naehten zu platzen drohte. 

Die grossen Boxen, die vor den einzelnen Etablissements gen Meer zeigten, waren alle bis zum Anschlag aufgedreht, und man konnte seine Bar je nach Vorliebe fuer verschiedene Spielarten elektronischer Musik oder eine Prise HipHop auswaehlen. Alles tanzte, und alles umarmte sich. Alle leuchteten, und ueberall sah man Flammen. Ich liess diesmal den Red Bull weg, da er uns allen an den dem Genuss folgenden Tagen keine schoenen Momente beschert hatte, und so hielt ich es leider nicht bis Sonnenaufgang durch, aber es war ohnehin leicht bewoelkt und ich hatte genug getanzt fuer die naechsten zwei Wochen. Dieses mal zahlte ich gerne meine 50 Baht fuer die Rueckkehr auf einem Pickup.



In den folgenden Tagen konnte man die Zahl der Tsunami-Opfer stetig wachsen sehen, der Fernseher lief nun Tag und Nacht. Die Leute auf Phangan legten jedoch eine seltsame Gleichgueltigkeit an den Tag, was mir irgendwie grundsaetzlich die Stimmung versaute. Dienstag Abends dann wurde aus Ideen ein Plan, und die Story über meine Erlebnisse als Freiwilliger nach dem Tsunami kennt Ihr alle aus meinen Berichten. Daher werde ich sie hier einfach ueberspringen.

Nach dem Tsunami: Chiangmai




Nachdem mich eine Militaermaschine der Thais von Phuket zurueck nach Bangkok gebracht hatte, was eine aussergewoehnliche Erfahrung war, nahm ich direkt einen gemuetlichen Nachtzug nach Chiangmai im Norden Thailands. Nach dem Essen wurden die Sitze zu Betten, und von der Decke liess man weitere Betten herunter, was eine sehr schoene, fast heimelige Atmosphaere schuf.



Kaum in Chiangmai angekommen, sprang ich auf einen Trek durch die Huegel im Norden auf. Wir schliefen in spartanischen Huetten, und teilten uns diese noch dazu mit leicht giftigen grossen Spinnen. Wir ritten auf riesigen Elefanten, die immer wieder ihren Lauf unterbrachen, um komplette Baeume auszureissen und sich diese mit dem Ruessel in den Mund zu stecken. Dann trieben wir auf einem waehrend der Fahrt zerfallenden Bambusfloss traege einen braunen Fluss hinunter. Am schoensten jedoch waren die Momente, die wir in den Doerfern der sog. ‚Hilltribes‘ verbrachten. Wenn wir uns auch nur sehr muehsam mit den ruhig und froehlich wirkenden Menschen verstaendigen konnten, lachten und kochten wir doch zusammen und es herrschte eine freundliche Stimmung. Ich genoss ausserdem die langen Maersche zwischen den einzelnen Stops, um meine Gedanken zu ordnen.

In Chiangmai lernte ich einen netten deutschen Fahrradkurier/Rockmusiker/Downhill-Rennen-Fahrer/Thaiboxer kennen. Max kannte eine Handvoll interessanter Leute und wir sassen an mehreren Abenden in einer Bar auf dem Dach eines dreistoeckigen Hauses, von wo man eine gute Aussicht ueber das naechtliche Chiangmai mit all seinen Tempeln hat und zugleich sanften elektronischen Klaengen lauschen kann.

Die Tage und Wochen nach meiner Woche in Phuket wirkten reichlich surreal. Zwei regionale Zeitungen und eine Internetseite veroeefentlichten meine Artikel ungekuerzt, die Frankfurter Rundschau Auszuege daraus. Wildfremde Menschen schrieben mir emails, da sie die Artikel gelesen oder mich im Fernsehen gesehen hatten. Meine alten Kollegen von der dpa/Rundfunk spuerten mich fuer ein Telefoninterview auf. Und zu guter Letzt schrieb mir der Buergermeister meines Heimatortes eine persoenliche Dankesmail. Das schien mir alles etwas zu viel Heldentum fuer das, was ich im Endeffekt getan hatte. Jedoch war ich froh, von so vielen zu hoeren, dass es so viel interessanter gewesen sei, die Geschehnisse aus meiner Perspektive zu hoeren.

Malaysia

Borneo

Ich fuhr zurueck nach Bangkok, um Neues ueber meinen Job als Pringles-Nager zu erfahren und mir zu ueberlegen, wie ich an ein neues 4-Wochen-Visum fuer Thailand kommen konnte. Die Chipsgeschichte hatte sich zerschlagen, der viele Berufe ausuebende Charan kochte stattdessen wieder Pad Thais im Akkord. Und was mein Visum betraf, stiess ich in meinem Reisefuehrer auf einen Berg, der mich augenblicklich in seinen Bann schlug. Bei Air Asia buchte ich ein Ticket nach Borneo zum unglaublichen Preis von 30 Euren, und schon drei Tage und ein paar frittierte Insekten und Froesche spaeter, sass ich in einem 10-Mann-Zimmer am Fusse des majestaetischen Berges Mount Kinabalu auf der malaysischen Seite Borneos. Es regnete in Stroemen, der Dschungel rauschte in einer beeindruckenden Laustaerke, und ich hatte mir vorgenommen, am naechsten Tag diesen Viertausender zu bezwingen.

Mount Kinabalu

Da man einen Guide mieten musste, schloss ich mich mit einem australischen Paerchen zusammen, die jedoch dermassen langsam waren, dass sie nurmehr meine Ruecklichter sahen. In etwa 5 Stunden legten wir gerade mal 6 Kilometer, jedoch etwa 1400 Hoehenmeter zurueck und befanden uns mittags ueber den Wolken, auf 3200 Metern Hoehe. Ein atemberaubendes Panorama! Ich ass grosse Portionen malaysischen und aeusserst delikaten Essens, und legte mich dann frueh schlafen, denn mein Wecker sollte um 2 Uhr morgens klingeln.

Nach einem kurzen Fruehstueck traten wir der Endpassage gegenueber, nur 1,5 Kilometer, aber weitere 900 Hoehenmeter, bis auf fast 4100 Meter. Zum Glueck hatte ich mir eine Jacke gemietet, denn es wurde zusehends kaelter. Ich trug ausserdem eine Sturmmaske und Handschuhe, da man sich auf einigen Teilstuecken an einem Metallseil entlanghangeln musste, da es zum  Laufen einfach zu steil war. Auf den letzten 500 Hoehenmetern hoerte ich endlich auf, in meinem Kopf Melodien zu singen, und hoerte nun nur noch meinen Atem und die Stille des Berges. Die Einheimischen hatten noch bis in die Sechziger geglaubt, dass der Gipfel dieses Riesen die Heimat der Seelen aller Verstorbenen war. Ich dachte darueber nach, als ich mir alleine laufend Meter um Meter erarbeitete. Just in dem Moment, als ich dachte ich schaffe es nicht, erblickte ich das Gipfelschild.

Rund um das Schild lagen viele kleine Japaner und versuchten, sich gegenseitig zu waermen. Ich legte mich dazu und erwartete den Sonnenaufgang, der sich am Horizont ankuendigte. Als sich dann die roten Strahlen ueber das Meer aus Wolken unter uns ergossen und die Felsen im ersten Licht ihre Konturen offenbarten, wurden die Menschen auf dem Gipfel still vor Ehrfurcht. Was fuer ein Schauspiel! 
Ich fror mir fast meine Fuesse ab, da ich der einzige von etwa 50 Leuten war, die den Aufstieg in Sandalen bestritten hatten. Auch zwei Paar Socken konnten meine Zehen nicht vor der massiven Kaelte schuetzen.



Gemeinsam mit Tausseef und Aamir, Englaender pakistanischer Herkunft und Aerzte nach ihrem ersten Praktikum auf dem malaysischen Festland, stieg ich die gesamte Strecke wieder runter. Zum Schluss hin konnte ich meine Beine nicht mehr fuehlen, dafuer fuehlte ich sie eine ganze Woche danach. Wir hatten Auf- und Abstieg alles in allem in etwa 13 Stunden geschafft und damit nur 11 Stunden laenger gebraucht als der Rekordhalter aus Italien. Ich wollte es nicht glauben, irgendwo musste der Typ eine Abkuerzung genommen haben.

Tags drauf pflegten wir unsere geschundenen Koerper in heissen Quellen mitten im wundervollen Dschungel Borneos. Ich traf Jochen aus Wuerzburg wieder, den ich vor meinen Tagen am Berg in Kota Kinabalu kennengelernt hatte. Er schreibt seine Diplomarbeit in Biologie ueber Ameisen und hat die Ehre, ganze 5 Monate an diesem wundervollen Ort fuer seine Recherche zu verbringen. Zu viert sassen wir am rauschenden Fluss, den Gestank der schwefelhaltigen heissen Quellen in der Nase, und assen rohe Ameisen, nicht jedoch, ohne dass Jochen spezielle Charakteristika der einzelnen Spezies hervorgehoben haette. Der Geschmack war wiederlich und doch hoerte ich Jochen und die Pakis ueber Ameisensaeure-Curries philosphorieren.

Wir kletterten auf Haengebruecken in 40 Meter Hoehe durch den Busch und liessen uns von grossen bildhuebschen Schmetterlingen umkreisen. 

Ich entschloss mich auf dem Rueckweg voellig spontan, doch noch die Orang Utans in Sepilok anzuschauen, und die beiden Englaender bezahlten mir netterweise meine Fahrt dorthin, da ich voellig abgebrannt war. Malaysia ging entschieden mehr ins Geld als Thailand.

Auch hier hingen in jedem Zimmer Pfeile an der Decke, die den Weg nach Mekka wiesen, denn im Gegensatz zum buddhistischen Thailand ist der Grossteil der malaysischen Bevoelkerung moslemischer Religion.

Nachdem wir die Orang Utans in diesem Rehabilitationszentrum beim Fuettern beobachtet und die Nacht mit Kakerlaken und grossen Spinnen verbracht hatten, ging es tags drauf auf eine Dschungeltour, tief drin im nahezu unberuehrten Teil des Regenwaldes von Borneo. Mehrmals fuhren wir mit einem Motorboot den breiten schlammign Kinabatangan-Fluss rauf und runter und in seine kleineren Seitenarme. Wir sahen Krokodile, einen grossen Varan, bunte Voegel, Makak-Affen und die skurrilen Rüssel-Affen, die sich durch eine grosse rote haengende Nase auszeichnen. Unser Guide schien regelrecht vernarrt in diese Tiere und schoss mehr Fotos als wir alle zusammen. Jedes mal, wenn wir auch nur ein Bild eines Proboscis sahen, fing er an, sich totzulachen und vor Freude mit dem Kopf zu schuetteln.

Nachts fuhren wir ein weiteres mal den Fluss entlang und sahen massige Eulen, Krokodilsaugen und grosse Fluss-King-Prawns. Zur grossen Ueberraschung gab es die kleineren Exemplare dieser Krabben am naechsten Morgen zum Fruehstueck und zu meiner noch groesseren Ueberraschung und Genugtuung wollte sie fast keiner ausser mir essen. Nach diesem delikaten Mahl stapften wir durch den Dschungel und bekamen wenigstens kurz ein paar Hornbill-Voegel zu Gesicht, das Wahrzeichen Borneos. Diese aussergewoehnlichen Voegel haben auf dem Schnabel noch einen weiteren, der nach oben zeigt, und es gibt verschiedene Arten, alle in wunderschoenen Farben.

Ich wanderte noch ein bisschen durchs eigentlich haessliche Sandakan, das aber schon nach kurzer Zeit durch die unverhohlene Freundlichkeit seiner Einwohner an Schoenheit gewann. Es gab entschieden weniger Touristen, und die Leute schienen fasziniert von weissen Gesichtern. Wie in allen anderen Orten in Borneo hatten die Jugendlichen auch hier alle die hippsten Frisuren, man fuehlte sich auf einer normalen Strasse wie in einem gerade eroeffneten Club Berlins.

Das Essen in Malaysia war der absolute Hammer. Durch die ethnische Vermischtheit der Malaysier bekommt man neben den malaysischen Spezialitaten auch chinesische, indische und indonesische Kueche. Wie in Thailand isst man am Besten an Strassenstaenden oder kleinen offenen Coffeshops, denn dort ist es nicht nur am Billigsten, sondern oft auch am Delikatesten. Nicht betreten sollte man jedoch die zugehoerigen Toiletten, denn das koennte den Appetit etwas mindern.

Alles in allem sprachen die Malaysier ein entschieden besseres Englisch als die Thais. So auch der Taxifahrer, der mich zum Bus brachte. Er kannte mehr Namen deutscher Fussballer als ich. OK, ich bin kein guter Masstab, aber immerhin befand ich mich mitten in Malaysia und der Typ erzaehlte mir mit einem wissenden Lachen vom ‚Kaiser‘. Ich lenkte die Unterhaltung weg vom Fussball und fragte ihn, ob es um Borneo nie Krieg zwischen Indonesien, Brunei und Malaysia gegeben habe, die sich diese wundervolle Insel offenbar eintraechtig teilen. Er sagte mit einem Grinsen von Ohr zu Ohr: „Friends, friends, always, everyone.“ Wenn die Dinge doch nur immer so einfach waeren!

Kuala Lumpur

Nach einem Tag auf einer kleinen Insel vor Kota Kinabalu, auf der man beim Schnorcheln Seesterne und viele mir bisher voellig unbekannte Fische sehen und gegrillte Meeresfruechte essen konnte, brachte mich eine weitere Billigmaschine von Air Asia ins beeindruckende Kuala Lumpur. Riesige Wolkenkratzer stehen hier neben alten Baracken, Shopping Malls sind umgeben von fahrenden Strassenhaendlern, gestylte Hipster sitzen neben alten Pfeife rauchenden Maennern in Umhaengen. Ueberall ein stetiger Kontrast aus Tradition und Moderne. Ich wanderte durch die Stadt auf der Suche nach guten Perspektiven, die alles andere als rar waren, und ass in Chinatown und Little India wahrhaft lukullische Speisen. Mit einer Handvoll hollaendischer Maedels besichtigte ich die nationale Moschee, eine der groessten in Suedostasien, und das Islam-Museum. Abends hoerten wir die Muezzine von den Minaretten singen und die Glaeubigen zum Gebet rufen.

Thaipusam

Und dann erfuhr ich voellig ueberrascht, dass es in KL eine grosse Hindu-Gemeinde gibt und dass das grosse Thaipusam-Fest unmittelbar bevorstand, das ich schon immer hatte sehen wollen.

Ich verbrachte den ganzen Tag in und vor den Batu-Hoehlen, voellig gefesselt von den Geschehnissen der groessten Thaipusam-Prozession der Welt. Einmal im Jahr, bei Vollmond im Monat Thai, versammeln sich hier bis zu einer Million Menschen, um Hindu-Gottheiten im Allgemeinen und den Kriegsgott Murga im Speziellen anzubeten, und ihnen Opfer darzubieten. Zunaechst lassen sich die Glaeubigen die Schaedel kahl rasieren. Sodann bekommen sie von Priestern Speere und Haken in Ruecken, Arme, Lippen oder Zunge getrieben, an denen zum Teil noch Gewichte aufgehaengt werden. Alle sind geschmueckt mit bunten Gewaendern und Blumengirlanden in Tausenden von Farben. Die bunten Saris der Frauen verstaerken diesen Farbenrausch noch. Die Glaeubigen fallen dann in Trance und beginnen nun den Aufstieg der 272 Stufen zu den von Goetterstatuen gespickten Hoehlen, die meisten beladen mit schweren Opfergaben. Freunde und Helfer feuern die Ergebenen mit „vel, vel“-Schreien an, was soviel wie Speer bedeutet und ein Hinweis auf die Lieblingswaffe Murgas ist.

Rund um die Pilger laufen Gruppen von Trommlern, die die gesamte Menge in Ekstase versetzen. Die Luft ist geschwaengert vom Rauch der zu Ehren der Goetter brennenden Feuer und unzaehligen Raeucherstaebchen. Immer wieder wird den bereits voellig erschoepften Menschen, die nicht nur dem Schmerz, sondern auch noch der unbarmherzigen Hitze trotzen muessen, Wasser in die offen stehenden Muender gegossen. Manche Paare tragen in einem Leinentuch, das an zwei Bambusstangen aufgehaengt ist, ihr juengstes Kind in die Hoehlen, um den Goettern fuer ihre Fruchtbarkeit zu danken.

Oben angekommen sieht man die Menschen zunaechst mit verwirrtem Blick um sich schauen; Speichel tropft aus ihren Muendern und einige schreien seltsame Laute heraus. Dann setzen sie die schweren Opfergaben ab und man zieht ihnen die Haken und Speere aus dem Koerper, wobei erstaunlicherweise fast nie Blut fliesst. Die Priester betupfen die Wunden dann mit heiliger Asche. Einige brechen zusammen, andere verlieren komplett das Bewusstsein. Dazu kraechzt aus alten Lautsprechern ein ohrenbetaeubender Laerm aus traditioneller indischer Musik.

Ich wollte den Ort gar nicht mehr verlassen, so fasziniert war ich von diesem wahnsinnigen Schauspiel. Ich lief hin und her, bekam einen Punkt auf die Stirn gemalt, kaufte Bilder und Statuen meines Lieblingsgotts Ganesha im Dutzend, musste mich dann aber schliesslich meiner Erschoepfung ergeben.

Am naechsten Morgen flog ich zurueck nach Bangkok. Ich fragte den freundlichen, aber leicht unappaetitlichen Typ aus meiner Hostel nach dem Weg. Youssuf steckte sich seine Hand in die Hose, kratzte sich genuesslich zwischen den Beinen, zog sie wieder raus und roch mit verzuecktem Gesichtsausdruck daran, dann erklaerte er mir gleichgueltig den Weg zur Bahn. Zum ersten mal in meinem Leben sah ich ein Quiz in einem Flugzeug, die Flugbegleiter schienen alle auf einer die sozialen Kontakte deutlich verstaerkenden Droge zu sein. Ich liess mich drauf ein und gewann prompt eine unhandliche Kaffeetasse; die Malaysier an Bord starrten unglaeubig in meine Richtung.

Zurück in Chiangmai

Ein Mittag in Bangkok bescherte mir neue Buecher, ein paar laecherliche Baht fuer meine alten, und kostete mich meine kompletten Haare.

Jetzt bin ich wieder in Chiangmai und die Sonne scheint. Ich froehne dem Nichtstun nach meinem Nonstop-Unterhaltungsprogramm der letzten Wochen. Ich lerne thailaendisch kochen, und spiele mit anderen Musikern auf dem Dach Gitarre. Eventuell habe ich einen Job als Mountainbikeguide in Aussicht. Das Klima ist wie Deutschland im Mai, und so freue ich mich bereits sehr auf meine Rueckkehr, die dann wohl so im April sein duerfte. Davor moechte ich jedoch noch das schoene Laos, das vermeintlich unfreundliche Vietnam, das mysterioese Cambodia und das von Conoisseurs ausgefallener Reiseziele empfohlene Myanmar sehen, sowie in einem Boot den Mekong entlangfahren, frittierte Baumspinnen essen, Wein aus Schlangenblut trinken, in den Ruinen von Angkor Wat tief ein- und ausatmen und mich von den Wellen des blauen Meeres erst hin- und dann wieder herwerfen lassen.

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