Meterweit von Hochhaus zu Hochhaus springen. Senkrecht Wände hoch- und runterlaufen. Doppelte Salti in Bauruinen machen und danach waghalsig abrollen… Das ungefähr war mein Bild von Parkour, dieser Sportart, die sich in den letzten Jahren aus einer Nische kometenhaft in die öffentliche Wahrnehmung vorgearbeitet hat. Nicht zuletzt dadurch, dass durchgeknallte Kids fast im Tagesrhythmus immer waghalsigere Parkour-Videos bei YouTube hochluden. Und natürlich durch Bond, James Bond:
Ich fand das Ganze schon faszinierend , als ich das erste Parkour-Video sah, und so konnte ich nicht nein sagen, als VisitBerlin und ParkourOne mich neulich im Rahmen der #BLNChallenge zu einem Anfängertraining einluden!
An einem warmen Apriltag fand ich mich daher leicht verkatert am Berliner Velodrom ein und wurde erst mal von der netten Claudi von VisitBerlin mit einem Schokohasen überrascht, der mich durch das harte Bootcamp bringen sollte.
Dann begann der theoretische Teil. Unsere Trainer Franz und Simon erzählten uns eine Menge über die Geschichte des Parkour, die sich im Militärischen finden lässt. Kurz und knapp: Alle Moves im Parkour sind im Grunde natürlichen Bewegungsabläufen entlehnt, von Menschen abgeschaut, die noch nicht von der Zivilisation versaut wurden. Mit knapp 25 anderen Neugierigen lauschte ich den Ausführungen über das, was die Beiden unter Anderem ‚Fluchtkunst‘ nannten. Denn ursprünglich ging es im Parkour hauptsächlich darum, den effizientesten Weg zu finden, Hindernisse zu überwinden, wenn man vor etwas oder jemandem fliehen musste. Und nicht vornehmlich darum, mit seinen Moves die meisten Klicks auf Youtube zu bekommen.
Das Besondere an dier ursprünglich französischen Sportart Parkour ist, dass man nur seinen eigenen Körper braucht um sie auszuüben. Doch dieser muss dafür natürlich fit, kräftig und flexibel genug sein. An dieser Stelle wurde ich kurz hellhörig, da mir auffiel, dass ich wohl der Älteste in der ganzen Gruppe war…
Franz und Simon erläuterten noch schnell ein paar Grundsätze im Parkour:
- Parkour ist kein Wettbewerb. Man versucht nicht, jemanden zu übertrumpfen oder ihn schlechter aussehen zu lassen.
- Parkour ist gerade so gefährlich, wie man es sich selber macht. Will meinen, man sollte sich selbst gut kennen und nicht überschätzen.
- Vorsicht, Respekt vor dem eigenen Körper und Bescheidenheit werden großgeschrieben unter den ‚Traceuren‘, wie man die Parkour-Sportler auch nennt.
Was mir sehr gut gefiel, war der Punkt, dass man jede Bewegung zu 100% bewusst ausführen sollte. Erst denken, dann bewegen. Fuss bewusst heben, Fuss bewusst aufsetzen. Das erinnerte schon fast an Vipassana-Meditation! Und so wurde auch von Anfang an jeder mit 10 Liegestützen bedacht, der sich unbedacht irgendwo anlehnte oder die Hände gedankenlos in den Taschen versenkte. Was auf viele zunächst wie Schikane wirkte, fand ich nurmehr konsequent!
Nun ging es ans Mobilisieren des Körpers, wichtig für Parkour. Einige der Übungen kamen mir bekannt vor aus anderen Sportarten und aus dem Yoga. Und doch machten minimale Abwandlungen die Übungen anstrengender als gewohnt. Sitzen in der Hocke auf flachen Sohlen etwa klingt ziemlich harmlos, geht beim Ungeübten jedoch direkt ans Eingemachte!
Die beiden Trainer erklärten uns, dass mindestens die Hälfte des Parkour-Trainings aus Krafttraining besteht. Nur wenn der Körper kräftig genug ist, lassen sich die Bewegungen ohne Risiko ausführen. „Muskeln schützen“, erklärte Franz grinsend, während die Ersten bereits vor Erschöpfung umfielen.
Liegestütze, Brücke, auf der Stelle laufen. Mich faszinierte, dass all diese Übungen sich auf engstem Raum ausführen liessen und ich doch schon nach kurzer Zeit Schweißperlen auf der Stirn hatte.
Nach dem Körper galt es dann, auch unseren Geist aufzuwärmen. Denn nur die Kombination von beidem lässt jemanden einen guten Traceur werden. Hierzu liess man uns erst mal auf einem Bein stehen und dabei Übungen ausführen, die jedes Mal schwieriger wurden. Dann sollten wir auf einem Geländer balancieren und uns dabei in Zweiergruppen gegenseitig unterstützen und zur Not auffangen. Hier ging es auch darum, einem völlig Fremden zu vertrauen. Das funktionierte ausgesprochen gut: Auch wenn ich mich schon nicht mehr an den Namen meines Partners erinnere, hatte ich doch immer das Gefühl, er würde mich im Notfall retten. Und tatsächlich lief ich so schon bald ohne Hilfe auf dem Geländer!
Witzigerweise hatten alle das Bestrafungssystem bereits verinnerlicht und so sah man dauernd irgendjemanden Liegestütze machen, da er kurz unachtsam gewesen war.
Unsere Übung hiess ‚passement vite‘, also schnelle Überquerung. Die Bewegung sollte in einer Art Flow passieren, einem elementaren Begriff im Parkour. Zunächst liess man uns einfach die Mauer intuitiv überqueren und tatsächlich machten es einige auf Anhieb richtig. Da ich mich als recht grobmotorisch bezeichne, war ich froh, als wir eine Zeitlupen-Runde einlegten und Franz uns Schritt für Schritt erklärte, mit welchen Bewegungen man am Schnellsten und Elegantesten über die Mauer kam. Wichtig ist auch hier, dass jeder Schritt geplant und bewusst ausgeführt wird. Franz, bereits seit 10 Jahren Traceur, hatte viel Geduld mit uns allen und tatsächlich lief jede erneute Wiederholung noch etwas flüssiger. Ich staunte nicht schlecht über mich selbst, denn alles, was mit Springen zu tun hat, war für mich immer ein Graus gewesen.
Das letzte Kapitel nannte sich ‚passe mureille‘, also Überwinden einer Mauer. Und das kam dann doch schon sehr nah ran an das, was ich mir im Vorfeld vorgestellt hatte! Denn nun ging es um höhere Mauern und darum, wie man hoch und auf der anderen Seite wieder runter kam. Viel besser jedoch war, dass ich schon ziemlich schnell Erfolge verbuchen konnte, auch wenn es eine sicher 3 m hohe Mauer zu überwinden galt! Der Trick hier ist, die Vorwärtsbewegung optimal in Aufwärtsbewegung zu verwandeln. Im Prinzip läuft man ungebremst in die Mauer rein und nutzt diesen Schwung dann im richtigen Moment, um sich nach oben zu drücken. Ein paar mal schlug ich mir ordentlich das Knie an, trotzdem konnte ich nun peu a peu immer höhere Mauern erklimmen. Das Areal am Velodrom bot uns gerade für diese Übungen perfekte Voraussetzungen.
Hängt man dann einmal in der Wand, muss man sich mit Kraft und Geschick hochziehen. Samson verriet mir hier den Trick. Man konzentriert sich erst mal darauf, einen Ellbogen auf die Mauer zu bekommen, dann erst sorgt man sich um den zweiten. Währenddessen läuft man kontinuierlich mit Tippelschritten an der Mauer hoch, auch wenn es so scheinen mag, dass einem das nicht wirklich etwas bringt.
Am Ende war ich ziemlich zufrieden mit mir. Ich war an einer Mauer hochgekommen, die ich vorher für unüberwindlich gehalten hätte. Zwar schmerzte mein Knie und das Handgelenk hatte ich mir auch wundgescheuert, aber das Ganze machte doch echt Spaß!
Den Abschluss bildete eine weitere halbe Stunde Krafttraining auf einer langen Treppe. Immer wieder ging es für die ganze Gruppe zunächst runter, dann wieder hoch. Erst laufend, dann springend, dann auf allen Vieren, im Krabbengang und schließlich in der Liegestützsposition.
Was hier vielleicht harmlos klingt, war das härteste Krafttraining, das ich seit langem absolviert hatte, besonders nach den anstrengenden zwei Stunden zuvor. Ich musste aber zu meiner Genugtuung feststellen, dass ich in puncto Fitness trotz meines vergleichsweise hohen Alters noch ziemlich weit vorne mitspielte bei den Kids. Gerade das Treppenlaufen auf allen Vieren gelang mir auf Anhieb so gut, dass ich mir den Spitznamen ‚Die Katze‘ einhandelte!
Als wir uns alle schließlich mit dem traditionellen Gruß der Traceure verabschiedeten, war ich völlig durchgeschwitzt und aus der Puste. Und doch spürte ich meinen Körper deutlich wie selten und war voller Energie. Ein solches Körpergefühl hatte ich zuletzt beim Capoeira erfahren, ebenfalls eine Sportart, bei der der gesamte Körper gefordert wird.
Am folgenden Tag konnte ich mich kaum bewegen. Mir schmerzten Muskeln, von denen ich vorher nicht mal gewusst hatte, dass es sie gibt! Nichtsdestotrotz habe ich Blut geleckt und werde den kompetenten Trainern Franz und Samson sicher demnächst noch mal einen Besuch abstatten. Und sollte ich demnächst mal vor irgendetwas fliehen müssen, dann wird das sicher ziemlich schick aussehen!
Danke für die Einladung, VisitBerlin und ParkourOne! Ich freue mich schon auf die anderen Berichte der #BLNChallenge!
Mir tut beim Lesen schon alles weh!
Hah hah! Ich zehre jetzt noch von den Schmerzen!
hey !
ich würde so gerne einmal Parkour ausprobieren, aber ich bin ein totaler Neuling.
Mich hat dieser Artikel hier aber besonders inspiriert, daher werde vllt auch mal deine oben genannten Übungen versuchen:
http://smart-magazine.com/wp-content/uploads/2014/08/parkourone-Berlin_smart-magazine_12.jpg
Wer weiß, vielleicht bin ich ja auch eines Tages einmal so gut……
dann mach ich in der Gruppe mit ( da blamier ich mich dann hoffentlich nicht mehr ; )
Kan
Hey Karen,
ich hatte das vorher ebenfalls noch nie gemacht. War überhaupt kein Problem und hat ne Menge Spass gemacht!
Du kannst Dich ja schon mal mit ein paar Dehnübungen vorbereiten, das kann nie schaden… ;-)
Safe travels,
Marco