Antalya: Jahrzehntelang ein Paradies für Pauschalurlauber, länderübergreifend typisch mit hässlichen Bettenburgen, zweifelhafter Unterhaltung, verwaschener Cuisine und Touristen in fragwürdiger Garderobe. Momentan jedoch ist in Antalya aufgrund der aktuellen politischen Lage nicht viel los. Genau der richtige Zeitpunkt also, um mal eben vorbeizuschauen!
Antalya selbst hat einige tolle Sehenswürdigkeiten zu bieten, die Du auch ohne große Touristenmassen entdecken kannst. Gerade jetzt, wo der Besucheransturm ausbleibt, lässt es sich toll in authentisches türkisches Alltagsleben eintauchen. Tatsächlich habe ich dann sogar noch ein paar Tipps parat, wie Du selbst dem Epizentrum des Pauschaltourismus entlang des Strandes von Antalya momentan etwas abgewinnen kannst.
Doch dann rate ich – wie immer an solchen Orten – dazu, sich einen Mietwagen zu schnappen und jene Perlen zu entdecken, zu denen die Anderen nicht fahren. Denn wie auch sonst so oft liegen die tollen Überraschungen nicht weit von den Touristen-Ghettos entfernt!
Antalya alternativ – das hier sind meine Vorschläge, wie man einen Aufenthalt in der südlichen Türkei überraschend und aufregend gestalten kann.
Wie gemalt: Die Altstadt von Antalya
Bevor Du Dich auf den Weg machst, die unbekannteren Orte im Süden der Türkei zu entdecken, solltest Du Dir Antalyas Altstadt ansehen. Denn diese ist wirklich ausgesprochen schön.
Gerade jetzt, wo in Antalya wirklich wenig los ist, flaniert man fast alleine durch die malerischen Gassen der Altstadt und kann bei Blicken in die Hinterhöfe einige interessante Dinge entdecken.
Die Menschen in Antalya sind höflich und sehr gastfreundlich. Schnell findet man sich bei einem süßen Tee im freundschaftlichen Gespräch mit einem Einheimischen wieder.
Wer etwas weitere Kreise durch die Altstadt zieht, bekommt auch leicht zerfallene Gassen zu Gesicht. Wie so oft habe ich mich auch hier vom Charme des Verfalls betören lassen. Doch nicht nur ich: Wo der Putz von den Wänden blättert und die Häuser an seidenen Fäden zu hängen scheinen, genau dort findet man auch die spannenden Bars und Cafés mit alternativer Kultur.
Wie überall interessant: Street Art und deren jeweilige landestypische Auslegung. Auch das ist Antalya alternativ.
Sollte Dich das alles noch nicht umgehauen haben, dann wird es dieser Blick von den Felsen der Altstadt über die Bucht in Richtung des Taurusgebirges, das sich bei meinem Besuch sogar trotz sommerlicher Temperaturen noch mit schneebedeckten Gipfeln präsentierte:
Mein Tipp: Einfach zu den Einheimischen in die Felsen setzen und den Booten beim Auslaufen zusehen!
Im Hafen nebenan lässt es sich, bei ähnlichen Ausblicken, übrigens toll speisen.
Nasses Spektakel: Der Düden Wasserfall
Als man mir die ersten Fotos des Düden Wasserfalls zeigte, fragte ich mich, warum ich von diesem Naturschauspiel noch nie etwas gehört hatte. Als ich dann vor diesem unwirklich anmutenden Ort stand und mir die Gischt ins Gesicht sprühte, war ich einfach nur überwältigt!
Knapp 40 Meter fällt das Wasser des Düden hier über die Klippen direkt ins Meer, um sich dort farbenfroh mit dem Salzwasser zu vereinigen. Wohlgemerkt mitten in Antalya. Ein Schauspiel, das ich so noch nie gesehen habe. Und das man übrigens während einer Bootstour auch vom Wasser aus bestaunen kann.
In Megalomanie baden: Antalyas wahnwitzige Hotelanlagen
Das wirklich touristische Zentrum Antalyas erstreckt sich östlich der Stadt entlang des Strandes. Hier sind in den letzten Jahren geradezu absurde, teils Milliarden teure Hotels in die Höhe gezogen worden, viele davon von russischen Investoren. Daher bekommt man hier auch einen fast originalgroßen Nachbau des Kremls zu sehen, womit zumindest ich im Vorfeld nicht gerechnet hatte:
Damit nicht genug, hat im Grunde jedes der gigantischen Hotels irgendwelche Superlative zu bieten. Viele der Anlagen in Antalya verfügen über Gärten, die in ihrer Größe an Parks erinnern. Nach Einbruch der Dunkelheit durch diese, momentan völlig verlassenen, Grünanlagen in Richtung des rauschenden Meeres zu schlendern, hat wirklich Charme. Wenn man Apokalypse-Filme mag.
So zugebaut der Strand auch teilweise ist (für bestimmte Abschnitte muss man gar an Checkpoints der Mega-Hotels vorstellig werden): Eine Wanderung entlang des Kiesstrandes lohnt sich. Schon mal ganz und gar zum Sonnenuntergang:
Auch hier wieder verleihen gerade jene Bauten dem Ort Charme, die ihre besten Tage hinter sich haben. Ob die Stege und Anlagen sich jedoch wegen der ausbleibenden Besucher zersetzen oder ob man sich noch in Vorbereitung auf die Saison befand: Ich konnte es nicht klären.
Unbedingt sollte man sich jedenfalls in einem der Resorts so weit wie möglich nach oben begeben, denn erst von dort wird die Megalomanie dieser Hotelburgen so richtig deutlich:
Entweder man bequatscht einen der Rezeptionisten, um nach oben gelassen zu werden. Oder man bucht sich einfach für eine Nacht im Hotel der Wahl ein. Wegen der fehlenden Gäste ist das momentan deutlich erschwinglicher als normal, und das Zimmer kann man sich auch noch mehr oder weniger aussuchen. Im Preis zumeist enthalten: Ein riesiges Dinner-Buffet sowie ein paar steife Drinks an der verlassenen Poolbar. Da kann man eigentlich nicht viel falsch machen.
Doch nun genug von Antalya selbst. Auf geht’s in Richtung unerwarteter, spannender Orte, die viel näher liegen als man denkt. Hierzu umfährt man am besten das Zentrum Antalyas und fädelt sich ein auf die D400 in Richtung Süden, immer entlang der hübschen Küste.
Ruinen und Streicheleinheiten: Phaselis
Ein erster unscheinbarer Spot, der auf jeden Fall einen Halt wert ist, ist Phaselis, knapp eine Stunde von Antalya gelegen.
Hier, inmitten von duftenden Pinien und in unmittelbarer Nähe zum Meer, lassen sich die Ruinen einer antiken Stadt entdecken, die damals zu Lykien gehörte. Die fast 2500 Jahre alten Ruinen umfassen Reste von Hafenbefestigungen, Häusern, Thermen und sogar einem Stadttheater. Ein Gang durch diese geschichtsträchtigen Mauern ist besonders faszinierend, da hier nirgends Zäune stehen und man diese alte Stadt gemeinsam mit einer Handvoll weiterer Interessierter ganz auf eigene Faust entdecken kann. Mit etwas Fantasie kann man die Antike vor seinem geistigen Auge wieder aufleben lassen. Oder aber man streichelt stattdessen die zahlreichen, zutraulichen Hunde und Katzen, die hier wild leben.
Wer dann genug von Geschichte und Tieren hat, der sollte auch gleich noch ein Bad nehmen. Die an die Ruinen anschließende Bucht ist wahrlich wunderschön.
Ein magischer Ort: Olympos
Nicht mal die häufig geäußerten Lobpreisungen meiner Reisepartnerin waren in der Lage, mich gänzlich auf die atemberaubende Schönheit von Olympos vorzubereiten. Man muss Olympos gesehen haben, um seine Anziehung zu begreifen. Denn an diesem magischen Ort passt wirklich alles zusammen!
Das über 2000 Jahre alte Olympos liegt zu beiden Seiten eines Flusses, der hier spektakulär ins Meer mündet. Die Reste dieser antiken Stadt sind weitgehend verfallen und überwuchert, wie etwa ein kleines römisches Theater sowie ein Tempel aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Auf eigene Faust kann man hier im Dickicht herumkraxeln, Mauerreste und halbe Gebäude entdecken und sich dabei nicht selten fühlen wie Indiana Jones. Ein tolles Erlebnis!
Der ruhige Fluss in Kombination mit den von Lorbeerbäumen verdeckten Ruinen wäre ja schon schön genug, doch am Ende dieses unerwarteten Freilichtmuseums wartet zu allem Überfluss dann auch noch ein fantastischer Strand auf die wenigen Besucher:
All das muss man sich vorstellen mit einer wohltuenden Stille, die über diesem Ort liegt, dem Duft der wilden Vegetation und dem Lächeln der wenigen Einheimischen, die hier simple Läden oder Gaststätten betreiben. Kaum ist man in Olympos angekommen, scheint alles in einem anderen Tempo zu abzulaufen. Instant Entspannung.
Das Highlight in Olympos: Kadir’s Treehouse
In Laufweite des Strandes mit seinem Fluss und den versteckten Ruinen liegt ein kleines Dörfchen, das im Grunde vollständig aus Baumhäusern besteht. Initiator für diese ungewöhnliche, schön anzusehende Architektur ist die Anlage Kadir’s Treehouse. Visionär Kadir Kaya begann bereits in den 80ern mit dem Bau einiger kleiner Baumhäuser und Hütten aus Holzresten. Bis heute wächst die Anlage, die bereits in Medien weltweit gerühmt wurde. Und hat den Rest des Ortes dazu ‚inspiriert‘, ebenfalls nur noch Baumhäuser zu zimmern. Meine Empfehlung: Halte Dich ans Original, denn bei Kadir’s weiß man, was man bekommt.
Mittlerweile gibt es auf dem Gelände eine Vielzahl an Möglichkeiten zum Unterkommen, je nach Gusto und Budget der Besucher. Keines der Zimmer ist wahnsinnig luxuriös, aber das spielt an diesem aus der Zeit gefallenen Ort auch nicht wirklich eine Rolle.
Die Gäste dieses Märchenlagers sind eine bunte, täglich wechselnde Mischung interessanter Menschen aus aller Welt. Ganz anders als in einem Hotel hat man hier schnell das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein.
Spätestens abends kommt man beim vegetarischen Buffet zusammen, danach wird am Lagerfeuer geredet und musiziert. Auch hier herrscht eine Atmosphäre die ihresgleichen sucht.
Unglaublich, aber wahr: Auf dem Gelände gibt es mit der Bull Bar sogar auch noch einen gar nicht mal so kleinen Club, zu dem auch die Einheimischen aus der ganzen Region pilgern. Die Musik ist überraschend gut, die Drinks erschwinglich und das heterogene Publikum aus Backpackern und Locals geniesst das rustikale Ambiente des Ladens und das Gefühl, sich am Ende der Welt aufzuhalten.
Kadir’s Motto ist „I came, I saw, I stayed… and stayed… and stayed…“ Und das konnte ich nach ein paar Tagen gut nachvollziehen, da auch ich aus diesem kleinen Hippie-Paradies fast nicht mehr weggekommen wäre!
Um der Reise in die südliche Türkei noch etwas zusätzliche Würze zu verleihen, bietet sich der Landweg an. Wer mich kennt, weiß, dass ich einen Road Trip noch nie abschlagen konnte! Nach Antalya etwa würde ich die vielseitige Strecke wählen, die wir auch 2012 mit den Schrottautos gefahren sind: Prag, Budapest, Belgrad, vielleicht noch ein Schlenker über das hübsche Wien. Ab Serbien dann immer in Richtung Schwarzes Meer, an dem man sodann in Richtung Süden abbiegt und nach dem Überqueren der eindrucksvollen Bosporus-Brücke schließlich die Türkei erreicht. Die knapp 2800 Kilometer von Berlin nach Antalya lassen sich auf diese Weise in gemütlichen Etappen innerhalb einer Woche zurücklegen. Alternativ sieht man sich ein paar der interessanten Orte auf dem Hinweg, die anderen dann auf dem Rückweg an. Und bei Kadir’s Treehouse sind ungewöhnliche Gefährte immer gern gesehen!
Eternal Flames: Chimaira
Ganz in der Nähe von Olympos, mit dem Auto jedoch nur über einen Schlenker durch die Berge zu erreichen, liegt ein seltenes, jahrtausendealtes Naturphänomen: Chimaira. In diesem seit der Antike bekannten Ort schlagen seit Jahrtausenden Flammen aus dem felsigen Boden am Berghang.
Man kann sich wohl vorstellen, dass einem solchen Phänomen vor einigen Jahrhunderten eine ungleich größere Bedeutung beigemessen wurde. Chimaira war seinerzeit ein Kultort. Doch auch heute haben die ‚ewigen Feuer der feuerspeienden Chimaira‘ nichts von ihrer Faszination eingebüsst. Die von unterirdischen Gasquellen gespeisten Flammen sehen nachts übrigens noch beeindruckender aus.
Nicht verpassen: Gözleme!
Gözleme sind dünne, meist würzig gefüllte Fladenbrote aus Yufkateig, die man aus der in Deutschland bekannten türkischen Küche nicht unbedingt kennt. Doch hier am Fusse des Taurusgebirges sind Gözleme omnipräsent. Und egal mit welcher Füllung: Sie sind wahnsinnig lecker! Am besten setzt man sich zu ein paar Einheimischen und beobachtet sie beim langsamen Braten der Spezialität auf einer traditionellen, holzbefeuerten Platte. Dazu ein Minztee und ein frisch gepresster Orangensaft und die Welt ist in Ordnung.
Ursprünglich, ehrlich und entspannt ist das Leben um Antalya herum. Eine Region, die ich sicherlich nicht zum letzten Mal besucht habe! Teşekkürler (danke), liebe Südtürkei, für eine wundervolle Zeit!