Beömmeln für den Weltfrieden – Eine Lachyoga-Session in Bangalore

The lion laugh - hands down my favorite!

Im Grunde wissen wir alle, dass Lachen gut tut. Jeder von Euch erinnert sich sicher gut an Situationen, bei denen Ihr Euch so richtig geschüttelt habt vor Lachen. ‚Lachen ist gesund‘ besagt nicht umsonst eine alte Weisheit. Und tatsächlich gibt es einige wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Lachen zum Einen den kompletten Körper anregt und von Spannungen befreit und zum Anderen Endorphine ausschüttet, die uns einfach zufriedener machen. Jedes Selbsthilfebuch, das etwas auf sich hält, rät bei schlechter Stimmung dazu, einfach künstlich zu lachen. Denn tatsächlich kann unser Körper nicht unterscheiden, ob das Lachen echt oder gespielt ist – die Endorphine fließen so oder so.

An dieser Stelle kommt ein sympathischer Herr aus Südindien ins Spiel, Dr. Madan Kataria. Denn genau dort setzt seine Philosophie ‚Laugh for no reason‘ an: Ohne Grund lachen. Auf meine Frage, wie er denn auf die Idee seiner Lachtherapie gekommen sei, antwortet mir der charismatische Mann mit der Glatze und dem Dauerlächlen, dass ihm eigentlich hauptsächlich langweilig gewesen sei. Als Arzt sowie Autor für medizinische Fachzeitschriften habe ihm damals irgendwie der Kick gefehlt. Und so habe er, nachdem er viel über die Vorzüge häufigen Lachens gelesen hatte, einfach sein eigenes Wellness-Programm entworfen: Lachyoga.

Of course, this is what Dr. Kataria's car says on its back...
Wenig überraschend, dass Dr. Katarias Auto so von hinten aussieht…

Der Rest ist Geschichte: Dr. Kataria ist heute verantwortlich für ein den Globus umspannendes Netzwerk aus Lachclubs. Alleine in seiner Heimatstadt Bangalore gibt es davon beeindruckende 220 Stück. Er stattet vielen dieser Clubs regelmäßige Besuche ab, hat aber auch sonst wahrlich genug zu tun: Er bildet Menschen zu Lachyoga-Trainern aus, hält Vorträge, und arbeitet ausdauernd an seiner persönlichen Mission, mit dem Lachen schließlich den Weltfrieden zu erreichen. Nicht umsonst trägt Dr. Kataria den Spitznamen ‚The Giggling Guru‘.

One of Dr. Kataria's students, Jesus from Venezuela
Einer von Dr. Katarias Schülern, Jesus aus Venezuela

Da ich seit Jahren vom Lachyoga fasziniert bin und sogar schon einmal für eine Trainerausbildung eingeschrieben war, musste ich mir das Ganze endlich mal aus der Nähe ansehen. Auf eine kurze Nachfrage per email lud mich Dr. Kataria sofort unbürokratisch und nett zu sich nach Hause ein. „Of course I will be there to laugh with you, call me when you get here“, lautete seine knappe email, in der er mir auch gleich noch seine Privatnummer mitteilte. Und so nahm ich den Umweg von Goa auf mich und bestieg einen 14-stündigen Bus nach Bangalore.

Im ruhigen Viertel Yelahanka, eine Stunde im Verkehrschaos vom Zentrum Bangalores entfernt, finde ich eine Art Lach-Kommandozentrale vor, von der aus eine Handvoll Enthusiasten den Traum am Leben hält. Laptops auf den Tischen, klingelnde Telefone, und alle paar Minuten brechen alle gemeinsam in Gelächter aus. Ernsthaft. Einfach so! Ich bin noch keine zehn Minuten vor Ort, da schmerzt mir bereits die Kiefermuskulatur! Mittendrin: Dr. Kataria höchstpersönlich, sehr sympathisch, sehr nahbar.

Außer ihm ist da zum Beispiel Jesus, ein liebenswürdiger Venezolaner, der von Dr. Kataria noch die letzten Kniffe erlernen möchte, damit er diese in seinem Heimatland anwenden kann, wo er Kinder in Krankenhäusern zum Lachen bringt. Und da ist die strahlende Margot, die mir erzählt, dass Lachyoga ihr Leben verändert hat. Vor einigen Jahren hat sie bei einem tragischen Unfall ihren Sohn verloren und ist erst mit der Hilfe des Lachens aus ihrer Depression herausgekommen. Heute gibt sie bei sich zu Hause in Meran frühmorgens Lachklassen für Angestellte, die diese noch vor ihrer Arbeitszeit absolvieren. Sie berät Firmen, hält Vorträge und bereitet angehende Abiturienten lachend auf ihre Prüfungen vor. Margot lebt davon und die Lebensfreude strahlt ihr aus jeder Pore. Es ist dieser Schlag Mensch, der das Haus in Yelahanka mit einer sprühenden Energie erfüllt.

Ich frage Dr. Kataria, ob er sich ansatzweise ausgemalt hat, welche Dynamik seine Idee annehmen würde, als er vor ein paar Jahren damit begonnen hat. Er schüttelt nur den Kopf, zieht die Schultern hoch, und explodiert in Gelächter.

Dann geht es los: Alle Mann fahren wir gemeinsam zu einer Schule, auf deren nachmittäglich verlassenem Schulhof bereits etwa 40 indische Frauen warten, viele davon in einer Art ‚Mannschaftskleidung‘, lilafarbenen Saris.

The laughter group, having a good time
Die Lachgruppe hat ne gute Zeit!

Ohne weitere Einleitung geht es los: Man zeigt aufeinander, zieht Grimassen, singt ein paar Reime. Dazwischen werden lange Pausen gemacht, um ausgiebig zu lachen. Ich schieße ein paar Fotos, mache aber auch fast alle Übungen mit. Ich merke jedoch, dass alle außer mir die Übungen schon lange verinnerlicht haben.

Wir klatschen rthythmisch, um die Nerven in den Fingerspitzen zu aktivieren. Dazu stoßen wir ziemlich archaische Laute aus. „Hoh Hoh, Ha Ha Ha“, und wieder von vorne. Wir machen dabei einen ganz schönen Lärm, und immer wieder bleiben faszinierte Passanten stehen, um uns kurz zuzuschauen. Auch sie können sich eines Lächelns nicht erwehren.

Es ist interessant zu spüren, wie das gespielte, leicht verkrampfte Lachen tatsächlich schon bald einem echten, herzhaften Lachen weicht, und sich insgesamt eine sehr angenehme Stimmung in mir breit macht. Fast noch faszinierender finde ich aber, dass ich schon nach wenigen Minuten all diese Menschen gut zu kennen glaube, die mir in Wahrheit völlig fremd sind, und mit denen ich mich nun gemeinsam totlache. Wo Lächeln bereits Menschen zu verbinden weiß, da ist dieser Effekt bei richtigem Gelächter noch ungleich stärker.

Things are starting to get crazy
Kurz bevor alles wirklich schräg wurde…

Dann kommen Körperübungen aus dem Yoga, um besonders tief ein- und auszuatmen. Denn das Atmen spielt eine wichtige Rolle im Lachyoga. Nicht zuletzt ist es die verstärkte Sauerstoffversorgung der Zellen, welche die heilenden Effekte hervorbringt. Danach wird dann bei jedem Ausatmen gelacht. Dabei hat man im Grunde ständig Augenkontakt mit jemandem, und alle Augen sind bereits zu Schlitzen verzerrt. Eine Frau sitzt einsam am Rand des Geschehens und scheint keine wahre Lust zu haben. Dr. Kataria kann das nicht dulden und bewegt alle in ihre Richtung. Die Gruppe lacht so lange vollzählig mit ihr, bis auch sie sich nicht mehr wehren kann und sich dazugesellt.

Dr. Madan Kataria - the Giggling Guru
Dr. Madan Kataria – der Giggling Guru

Eine wichtige Technik im Lachyoga ist die kindliche Verspieltheit. Wir wissen alle, dass Kinder einen viel entspannteren Zugang zum Lachen haben, und alles in allem auch viel mehr Spaß am Leben. Lachyoga ist daher nicht die einzige Disziplin, die das Kind im Erwachsenen heraufbeschwört. Nacheinander singen wir in den verschiedenen Sprachen aller Anwesenden laut „Very good, very good, yeah!“ und brechen danach umgehend in Begeisterung aus. So langsam beginnt das Ganze wirklich Spaß zu machen. Dass es den Inderinnen genauso geht, kann ich in jedem einzelnen Gesicht lesen!

The laughter group - doing what they're best at
Die Lachgruppe bei dem, was sie am besten kann

Dann kommen die wirklich witzigen Sachen. Doch mittlerweile bin ich sowieso schon jenseits von Gut und Böse. Wir tuen nun so, als würde uns jemand am Handy eine witzige Geschichte erzählen. Und lachen uns kaputt. Wir tuen so, als dürften wir nur heimlich lachen. Und lachen uns wieder kaputt. Wir lachen über uns selbst, dann über einander. Und lachen uns dabei kaputt. Jesus ist nun völlig außer Rand und Band, sein Lachen hat etwas Wahnsinniges und ist gnadenlos ansteckend. Ich merke, dass ich nun wirklich einen richtigen Lachflash habe. Ungefähr so, wie man sich in der Schule auf der letzten Bank totgelacht hat, bis einem der Rotz auf den Boden tropfte. Es ist nun wirklich nicht mehr notwendig, irgendetwas zu spielen. Das hier ist wirklich unfassbar komisch! Doch zu allem Überfluss kommt dann auch noch das Löwenlachen:

The lion laugh - hands down my favorite!
Das Löwenlachen – ohne Frage mein absoluter Favorit!

Ich schmeiße mich weg!

Immer wieder geht es dann auf die Reime und das Klatschen zurück. Dazwischen wird nun sogar getanzt. Für Außenstehende müssen wir mittlerweile wirken wie eine Gruppe Durchgedrehter

Laughing and dancing - what a combination!
Lachen und Tanzen – was für eine Kombination!

Und nach knapp 20 Minuten ist das Ganze dann auch schon wieder vorbei. Ich bin erschöpft und glücklich, leicht fassungslos und durch und durch begeistert. Freudentränen haben deutliche Spuren im Staub auf meinen Wangen hinterlassen.

Herzlich verabschieden sich alle von der Frauengruppe, alle winken unserem Wagen noch hinterher. An der nächsten Ecke stoppen wir dann noch mal kurz und Dr. Kataria spendiert eine Runde saftiger Melonenstücke. Natürlich nicht, ohne dass sich auch hierbei alle beömmeln, inklusive des Melonenverkäufers hinter seinem fahrbaren Stand. „Melon party“, ruft der Meister und alle freuen sich. Ich möchte gerne mehr Zeit mit diesem Typen verbringen!

Wieder zurück in Yelahanka lache ich noch mal mit jedem Einzelnen und bedanke mich schließlich überschwänglich bei Dr. Kataria für diese tolle Erfahrung. Nicht unwahrscheinlich, dass ich nach diesem Erlebnis doch demnächst noch zum Lachyoga-Trainer werde! Sein nächster Workshop findet in Österreich statt.

Dr. Madan Kataria and myself
Dr. Madan Kataria und ich – wir können mit dem Grinsen gar nicht mehr aufhören

Für mehr Informationen, besorgt Euch das Buch von Dr. Kataria. Oder klickt einfach bei der Website des Giggling Guru rein.

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3 Kommentare

  • Hach Marco,

    ich bin schon gestern Nachmittag auf deinem Blog gelandet, nachdem ich mich etwas mehr über das Osho International Meditation Resort informieren wollte, nachdem ich ein paar Videos zu den unterschiedlichen Meditationsarten gesehen hatte. Mich fasziniert diese „andere Welt“ so sehr, dass ich jedes einzelne deiner Worte aufgesogen habe und sämtliche Artikel aus dem „Reisen nach Innen“ Archiv gelesen habe.

    Dieser Artikel hier hat mich aber am meisten selbst „berührt“. Ich konnte all diese Gefühle, die du beschreibst, von der Unsicherheit und dem „Alles Gestörte hier“ bis zu dieser Erleichterung und dem ober-Lachflash mitfühlen. Grandios! Habe hier in meiner Pause gesessen und grenz-debil den Bildschirm angelacht. Herrlich!

    Dein Blog ist (auch fernab dessen) unsagbar interessant! Das wollte ich loswerden, obwohl ich doch eigentlich gar nicht so gerne kommentiere ;-)

    • Liebe Sandra,
      tausend Dank für Dein Lob, das freut mich wirklich sehr!
      Ich habe ein paar weitere Ideen für die Rubrik ‚Reisen nach innen‘, über diese Dinge wollte ich eigentlich noch viel mehr schreiben. Es freut mich immer wahnsinnig, wenn ich mit meinen Texten Leute mitreißen kann. Die beste Motivation!!
      Liebe Grüße,
      Marco

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